Holunderblut
hat ein bisschen so geklungen, als wäre er stolz auf ihre Zähigkeit, und auch ein bisschen vorwurfsvoll.
»Ich weiß nicht, seit … seit ich aus dem Krankenhaus raus bin, glaube ich.«
»
Was
!? Aus welchem Krankenhaus?«
Er hat seinen Wagen auf dem Allmandinger-Hof geparkt, sauber und deutsch neben der Katharina ihrem alten Golf. Im selben Moment ist ihr Handy gegangen, und er hat es aus ihrer Jackentasche geholt, weil sie es nicht mehr geschafft hat. Und ist drangegangen.
»
Pronto
?«
»Katharina, bist
du
des?«
Die Katharina hat die Hand ausgestreckt, aber der Lucarelli hat weitergesprochen, weil den Namen Brunner, der auf dem Display gestanden ist, hat er schon gekannt.
Englisch hat er ja auch ein bisschen können und der Brunner auch, wenn auch jeder von den beiden mit seinem ureigensten Akzent. Dann hat der Matteo dem Brunner erklärt, dass die Katharina krank ist, und der Brunner war sehr besorgt, weil er sich eigentlich nur erkundigen hat wollen, warum sie in der Dienststelle weder aufgetaucht ist noch Bescheid gegeben hat. Und der Matteo hat ihm versichert, dass er gleich den Doktor rufen wird, und der Brunner hat noch gesagt, dass er sich gegen Abend noch einmal meldet und dass er froh ist, dass der Matteo da ist und ein bisschen nach ihr schaut.
Was er dann auch gemacht hat, der Matteo, er hat sie rauf ins Zimmer getragen, sie ausgezogen, ins Bett verfrachtet und die Nummer gewählt, die der Peter der Katharina auf einem Zettel notiert gehabt hat, und dann hat er auf Italienisch-Englisch dem Doktor Lechner klargemacht, dass er kommen soll, und zwar so schnell es geht.
Dann hat er sich auf der Katharina ihre Bettkante gesetzt, und sie hat ihm erzählt, wie sie letzte Woche nach ihrer Lebensmittelvergiftung zusammengebrochen und im Krankenhaus wieder aufgewacht ist, erst Tage später, miteiner Gehirnerschütterung, ganz langsam und leise und mit vielen Pausen hat sie es ihm erzählt. Und dass es ihr ganz furchtbar leidgetan hat und noch immer tut, dass sie ihn deswegen nicht anrufen hat können, und er:
Ich hatte ja keine Ahnung, ich wäre sofort gekommen
, und sie:
Ich weiß
.
FUCHZEHN
Zwei Stunden hat der Matteo Lucarelli jetzt schon auf diesen Arzt gewartet, der versprochen hat, so schnell wie möglich zu kommen. Ein bisschen wie in Italien, nichts von wegen deutscher Pünktlichkeit, gar nichts, und er hat sich noch nicht einmal richtig aufregen können, weil ihn sowieso keiner verstanden hätte. Man ist ja schon irgendwie hilflos in einem Land, wenn man die Sprache nicht wenigstens ansatzweise versteht. Und nicht einmal ansatzweise verstanden wird, höchstens einmal von einem Pizzabäcker, aber die sprechen erstens oft gar kein richtiges Italienisch mehr, weil sie in der dritten Generation in Deutschland leben, oder sie kommen schon gar nicht mehr aus Italien, sondern irgendwo aus dem Osten, und dann kannst du als Italiener bei ihnen noch nicht einmal mehr deine Pizza bestellen, und wenn es dir doch gelingt, kriegst du einen schweren ölgetränkten Teiglappen, der mit dem italienischsten aller italienischen Nationalgerichte überhaupt nichts mehr zu tun hat.
Und dann diese Internetverbindung. Mit WLAN war überhaupt nichts los. Das DS L-Kabel hat nur bis zum Küchentisch gereicht. Eine Einwahlverbindung auf seinem eigenen Laptop hat der Lucarelli nicht hingekriegt. Also der Katharina ihren benutzen. Wie schafft eine Polizistin es, ihren mobilen Computer noch nicht einmal mit einem Passwort abzusichern? Na ja, besser so, sonst hätte er sie eh nur aufwecken müssen.
Auf seinem MacBook hat er parallel Mozart laufen lassen, ›La Finta Semplice‹, während er sein iPhone aufgeladen hat.
Und jetzt, Lucarelli, mit System.
Der Katharina ihren Dell.
Fenster eins: Online-Wörterbuch Italienisch-Deutsch. Fenster zwei: Google,
pizzeria+weil+muehldorf
. Fenster drei: Google Earth. Das Update hat so viel Zeit in Anspruch genommen, dass der Lucarelli sofort verstanden hat, dass es sich keineswegs um eine DS L-Verbindung handelt.
Also erst einmal essen. Die Italiener haben ja einen siebten Sinn für gutes Essen, und der Matteo Lucarelli hat es praktisch auf Anhieb geschafft, aus den Google-Suchergebnissen die beste Pizzeria im Landkreis herauszufischen, Glück hat er auch noch gehabt, weil sie ist tatsächlich noch von einem italienischen Gastronomen geführt worden, und der Chef selbst war am Telefon.
»Rufen Sie aus Italien an?!«
»Nein, wieso?«
»Na wegen Ihrer Nummer – nach
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