Holunderblut
Lechner da schon verstanden.
Ein Anruf auf dem Dr. Lechner seinem Handy hat die Familiengeschichten dann aber abrupt beendet, und er hat sich danach recht schnell vom Matteo verabschiedet, der ihn noch auf den Hof begleitet hat, wo er in seinen Pseudo-Geländewagen gestiegen und zum nächsten Hausbesuch losgestartet ist.
Und weg war er.
Und dann hat der Lucarelli all das gute Essen hinaufgetragen und angefangen, die Katharina gegen ihren Willen zu füttern. Mit der Suppe, die wirklich hervorragend war, einen Löffel sie, einen er, einen sie, einen er.
»Bottarga?«
»Was ist das?«, hat sie mit schwacher Stimme gefragt.
»Probier es. Fischrogen, gesalzen und gepresst.«
»Ich weiß nicht.«
»Fisch ist perfekt für dich.«
Und die Pizza, und Acqua Panna.
Ungefähr eine Stunde Überzeugungsarbeit hat er gebraucht, bis er ein wenig Essen in sie hineinbekommen hat. Wie elend sie ausgesehen hat. Wie er sie liebte. In diesem Moment und in jedem anderen.
»Hey,
commissaria
– werd mir wieder gesund.«
»Mach ich, Lucarelli.«
Was der Lucarelli und die Katharina zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst haben: dass das mit dem Gesundwerden gar nicht so einfach war.
Und was sie zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht gewusst haben und was auch der Brunner Josef in seiner Pressemitteilung, die er genau in diesem Moment im Polizeipräsidium in Mühldorf verlesen hat, zurückgehalten hat, waren die Ergebnisse vom Moser Rudi die Beweisstücke betreffend, die die Katharina vor exakt einer Woche in einem silberfarbenen Jaguar XKR sichergestellt hat. Und die die Katharina brennend interessiert hätten – wäre sie nicht gerade eben wieder mit ihren furchtbaren Kopfschmerzen eingeschlafen.
Aber der Brunner hat ja versprochen gehabt, gegen Abend noch bei ihr vorbeizuschauen, und da ist es ihr gerade wieder ein bisschen besser gegangen, weil der Matteo am Nachmittag noch ihr Rezept eingelöst hat in der Apotheke und sie dann eine ordentliche Dosis Metamizol zu sich genommen hat. Danach ist er noch einmal losgefahren zum Einkaufen, wobei er sich beeilt hat, um die Katharina nicht zu lange allein zu lassen. Er ist zum Metzger Harlander und ist da gleich nett auf Englisch begrüßt worden. Dass er irgendwie der Mann von der Berger Katharina ist, das hat bereits die Runde gemacht gehabt, und dass sie krank ist, auch, und dass er als fürsorglicher Ehemann deswegen extra aus Italien angereist ist. Und deshalb hat der Harlander, der wegen seinem verdorbenen Fleischsalat ja eh noch ein mords schlechtes Gewissen gehabt hat, dem Signor Lucarelli ein superfrisches Rinderfilet zu einem Spottpreis überlassen, dass die Kunden im Laden nur noch getuschelt haben vor Neid, warum denn da so a Zuagroaster so eine Vorzugsbehandlung kriegt, und sieals alte Kunden, respektive Kundinnen, nicht. Beim Bäcker Pallinger hat der Matteo dann einfach das hellste Weißbrot gekauft, und falsch machen hat er da nichts können, weil der Pallinger hat noch selber gebacken, und außerdem hat der die Geschichten über die kleine Berger und ihren Italiener auch schon gewusst und dem Matteo aufgetragen, ihr einen schönen Gruß und gute Besserung auszurichten, was der Matteo aber nur so sinngemäß verstanden hat.
Da hast du ja gleich ein ganzes Dorf, das sich um dich kümmert, und genau dasselbe Dorf kümmert sich einen Dreck um einen verschwundenen Jaguarsammler. Schon seltsam, hat sich der Matteo gedacht. Die mögen den Jaguarsammler alle nicht recht.
Dann ist er, zu Trainingszwecken und um seinen BMW mal wieder ordentlich auszufahren und in aller Ruhe eine Oper auf voller Lautstärke zu hören,
cinque, dieci, venti, trenta, trentasei, quarantatré
, die Strecken abgefahren, die er sich herausgesucht hatte. Über Mühldorf, wo er in einem kleinen Bioladen Gemüse und Obst gekauft hat, nach Halling, an der Auffahrt von der Autowerkstatt vorbei, die Stall-Garage hat er am Ortsausgang passiert, und dann ist er über Altötting nach Süchting gerauscht. Die Tierarztpraxis hat im Vorbeifahren tatsächlich so ausgesehen, wie die Katharina sie beschrieben hat. Dann hat sich der BMW vom Matteo mit ein paar landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen auf der kleinen Landstraße zurück nach Weil eine Art Slalomrennen geliefert,
cinque, dieci, venti, trenta, trentasei, quarantatré
, gewonnen hat der BMW, und
alla fine
hat der Wagen samt Fahrer für 70 km Überlandstrecke inklusive einkaufsbedingten Pit-Stops etwa eine Dreiviertelstunde gebraucht, und das am
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