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Holunderblut

Holunderblut

Titel: Holunderblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Brinkmann
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Verkäufer. Aber dein Mann ist auch bei Polizei. Stimmt? Policja?« Und dabei hat sie den Matteo angesehen, und der Matteo hat genickt. Manche Wörter sind dermaßen international, die versteht man immer.
    »Und warum Fragen? Du weißt, mein Mann verkauft Autos. In Leśna. Du weißt, Toter im Jaguar Jurek Pawliczyk. Aus Leśna. Das ist in Zeitungen gestanden, heute früh. Du weißt, Karol und Wieslaw sind Brüder von Jurek. Haben Autoverkauf, wo mein Mann arbeitet, bei Pawliczyk-Samochody. Mein Mann ist ehrlicher Mann. Schraubt Autos auf, schraubt Autos zu. Sonst nichts.«
    Das polnische Pendant zum Jakob, sieh an, hat die Katharina sich gedacht. Und gesagt: »Und zu welchem Zweck er Hunderte von Zigarettenpackungen hinter der Verkleidung versteckt, war ihm nicht klar?«
    »Ich sage dir Zweck. Zweck ist Verdienen von Geld. Zweck ist kranker Sohn. Mein Sohn ist sehr krank und kostet viel, Medizin und Klinik. Sieben Jahre und immer krank. Kacper. Einziges Kind von Pawel und mir. Ich putze in Deutschland, Pawel macht Autos in Leśna, macht alles für Autos, alles, was Pawliczyky sagen. Macht alles für Kacper.«
    Jetzt hat die Jolli ganz feuchte Augen gehabt, und die Katharina war betroffen. Weil die Jolli nämlich auch noch ihren Geldbeutel herausgezogen und lauter Fotos hergezeigt hat, von ihrem Kacper, in allen Altersstufen, ein ganz blasser, dünner Bub war das, und ausgeschaut hat er wie die Jolli.
    Die Katharina hat dem Matteo die Geschichte übersetzt,und dann hat die Putzfrau weitergeredet, und zwar hat sie erzählt, dass sie einmal im Monat zu ihrem Sohn fährt, und dass sie am liebsten die ganze Familie nach Deutschland holen würde, aber der Pawel schon ein kleines Vorstrafenregister hat wegen einer anderen Schmuggelgeschichte, und die Therapie für den Kacper kostet in Deutschland noch mehr, und sie will kein Mitleid, gar nicht. Aber sie will, dass die Katharina versteht, dass Menschen manchmal aus Liebe Dinge machen, die sie sonst nicht machen würden. Und dass sie versteht, dass man nicht immer ehrlich sein kann, manchmal muss man lügen, wenn man zum Beispiel nicht sagt, dass man beim Zigarettenschmuggel hilft, oder wenn man zum Beispiel nicht sagt, dass man bei der Polizei ist. Ob die Katharina das denn nicht auch versteht? Alles das Gleiche: nichts sagen. Schweigen.
    Und dagegen hat die Katharina gerade keinen Einwand mehr gehabt.
    »Aber Jolli, kannst du mir jetzt noch sagen, was aus dem Altmann seinem Haus verschwunden ist?«
    »Warum immer deine Fragen? Fünfzehn Ordner verschwunden mit Quittungen. Über fünfzehn Jahre Zigarettentransporte. Hat Thomas selbst gemacht.«
    Und dann hat die Jolli erzählt, dass der Jurek mit dem silbernen XKR vom Altmann früh am Morgen des 25.   Juli von Leśna nach Weil gefahren ist. Er hat seinen Brüdern einen Brief dagelassen, in dem gestanden ist, dass er aussteigt aus dem Zigarettenhandel und nicht mehr nach Polen zurückkehrt, um diese Geschäfte weiterzumachen. Der Wieslaw hat also zu seinem Mechaniker, dem Pawel Kovalczyk, gesagt, dass er jetzt mit dem Jurek ein letztes Geschäft machen wird, und dann ist er ihm hinterhergefahren. Nach Weil. Getroffen haben sie sich beim Altmann.Der Jurek hat sich von den Argumenten seines Bruders, wie man in Zukunft ordentliche Geschäfte machen wird, nicht überzeugen lassen, also hat der Wieslaw Taten folgen lassen. Der Altmann hat noch versucht, zwischen dem Jurek und dem Wieslaw zu vermitteln, erfolglos, er hat dann selber die Argumente vom Wieslaw zu spüren bekommen. Und wie der dann eine Pistole zieht, um seinen Argumenten Nachdruck zu verleihen, gelingt es dem Jurek, mit dem E-Type zu fliehen. Der Wieslaw ist ihm mit seinem eigenen Auto hinterher. Und der Altmann hat schnell alle Ordner mit allen Quittungen in seinen XKR verfrachtet, um anschließend die Verfolgung der beiden Polen aufzunehmen. Am Derdorfer Weiher hat er sie eingeholt und gerade noch gesehen, wie der Wieslaw den Finger am Abzug seiner Pistole hat und abdrückt, aber der Jurek, der noch im E-Type gesessen ist und in die Enge getrieben war, hat Gas gegeben und ist schnurgerade in das Moorgewässer hineingefahren, eine andere Möglichkeit hat er nicht gehabt. Und der Wagen ist versunken, während der Wieslaw am Ufer gestanden ist. Und gewartet hat. Und der Thomas ist aus dem XKR ausgestiegen und hat auf den Weiher hinausgeschaut, bis die letzten Luftblasen aufgestiegen sind, aber der Jurek ist nicht mehr aufgetaucht. Und dann packt er einen Ordner nach

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