Holunderblut
dem anderen und schleudert sie alle in den Weiher. Und fährt wortlos davon. Und der Wieslaw starrt dem silbernen XKR hinterher.
»Und jetzt keine Beweise mehr, alles in Weiher«, hat die Jolli ihre Geschichte beendet. »Aber weißt du, Katharina, was ist wirklich schlimm?«
Die Katharina hat sich alles ganz andächtig angehört und jetzt ungläubig den Kopf geschüttelt. »Was ist wirklich schlimm?«
»Schlimm ist, dass Thomas sein Sohn mitnimmt auf Verfolgungsjagd, dass Sohn ist immer in Auto, bei Schlägerei, bei Schießerei, bei Verfolgung, und alles muss sehen!«
»Jolli, sag mal – woher weißt du das alles?«, hat die Katharina gefragt, aber sie hat die Antwort längst schon geahnt.
»Django hat mir erzählt, als ich putzen komme, Sonntagnachmittag, 26. Juli. Ist ein ganz liebes Kind, Django, und ganz schlau, merkt sich alles, aber stilles Kind, immer zwischen Mutter und Vater hin- und hergerissen, einzige Freude, wenn ich polnische Quarkknödel koche jeder zweiter Samstag und putze und vorlese und Django spielt Lego.«
»Das glaub ich nicht.«
»Kannst du glauben. Ist wahr. Django ist Kind, und Kinder sind ehrlich. Nur Erwachsene lügen.«
Jetzt hat die Katharina wieder eine kurze Zeit lang geschwiegen, um diese banale, aber wahre Philosophie zu verdauen. Und den wiederholten Vorwurf von der Jolli, dass die Katharina sie angelogen hat.
»Und warum erzählst du mir das jetzt alles plötzlich?«
»Weil ich jetzt gefangen in Haus von zwei Polizisten, und ich kann nur hoffen, dass du und dein Mann verstehen. Und weil Zeitungen schreiben über Jurek Pawliczyk Selbstmord, ist aber Mord. Und weil Thomas ist immer noch fort. Und, weil nur wenn Thomas wieder zurück ist, auch Django wiederkommt. Und Verschwinden von Thomas ist nicht wegen Zigaretten, weil Jurek und Quittungen sowieso verschwunden im Weiher, und Thomas hat kein Problem mehr, weil niemand glaubt Kind, und Kind geht nicht zu Polizei. Und ich geh auch nicht zu Polizei. Weil wenn du polnisch bist und kein gutes Deutsch sprichst,bist du Verdächtige. Und dann Job weg, Geld weg, Kacper keine Therapie mehr. Ich hab nichts getan, nur gehört. Ich putze nur und höre Kindergeschichten und mache Quarkknödel. Und jetzt sind zwei Stunden bei dir vorbei.«
Und da hat die Katharina der Jolli 20 Euro fürs Nichtputzen gegeben und gesagt, machs gut, Jolli, und wenn du was brauchst für deinen Buben … Aber die Jolli ist schon in ihren BMW gestiegen und ist vom Allmandinger-Hof gefahren, um zu ihrem nächsten Putztermin pünktlich zu erscheinen. Und außerdem wäre sie viel zu stolz gewesen, die hätte nie was angenommen für ihren Buben, wenn sie nicht eins zu eins dafür gearbeitet hätte.
Und die Katharina hat die polnisch-deutsche Geschichte dem Matteo übersetzt und dabei gemerkt, wie gut das ist fürs Erinnern, wenn man gleich immer eine Nacherzählung in einer anderen Sprache dranhängt. Und wie gut es tut, jemanden zu haben, der einem zuhört.
Und er hat nur den Kopf geschüttelt und bemerkt, dass neben all den Polen und Putzfrauen und Autoverkäufern und Tierärztinnen die bisher unbeachtete Gruppe der Kinder eine nicht insignifikante Rolle spielt in diesem Fall, in dem die Schlüsselfigur immer noch verschwunden war.
Und die Katharina hat gespürt, dass ihr irgendetwas in der Erzählung von der Jolli noch gefehlt hat, was für das Verschwinden vom Altmann auch eine nicht insignifikante Rolle spielt, aber sie ist schon wieder nicht draufgekommen. Weil wenn es fehlt, siehst du es ja nicht.
»Herr Hafner, einen schönen guten Abend!«
»Ah, die Frau Berger …«
»Ja, die Frau Berger. Herr Hafner, stör ich grad?«
»Kimmt drauf o, was Sie jetz unter stören verstengan. Sprich, in welcher Funktion Sie oruafa.«
»Wie, Funktion?«
»Ja, Polizistin oder privat.«
Die Katharina hat gelacht. »Suachan S’ as Eana aus, was Eana liaber is.«
»Was is’n Eana liaber?«
Jetzt hat die Katharina einfach keine Zeit und auch nicht wirklich den Nerv gehabt für dem Hafner Andi sein kompliziertes Begrüßungszeremoniell, also lieber die Taktik: Tür ins Haus, Kopf durch die Wand, Zylinderkopf durch die Motorhaube quasi.
»Heute mal direkt, mein lieber Herr Hafner. Privat.«
»Aaaah, direkt und lieb und privat. Ja, so is’s recht. So hab i’s gern.«
»Ja, i scho aa, Herr Hafner.«
»Ja dann, schiaßen S’ amoi los.«
»I daad gern wissen, warum Sie mir Eana Ihre Ex-Beziehung mit der Sabine von Hohenstein verschwiegen
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