Holunderküsschen (German Edition)
um so eine Art Selbstschutz. Schließlich verbringen wir die Nacht miteinander, da möchte ich schon wissen, mit wem ich es zu tun habe. Ehe ich mich versehe, knie ich vor dem geöffneten Koffer.
Benni gehört zu der ordentlichen Sorte Mann, so viel ist sicher. Seine T-Shirts und Hosen liegen sorgfältig gefaltet übereinander. Oho, er hat sogar einen Anzug im Gepäck. Was er wohl damit will? Ich krame weiter zwischen seinen Sachen und entdecke eine Unmenge an Fachzei t schriften über Wirtschaft und Fotografie. Für mich böhmische Dörfer. Wobei die Fotozeitschri f ten wenigstens schön anzusehen sind. Ich tippe auf ein Studium der Betriebswirtschaft und Fot o grafie als Hobby. Gelangweilt lege ich die Zeitschriften wieder in den Koffer zurück, als ich auf ein Foto stoße. Es zeigt Benni zusammen mit einer hübschen Blonden, Marke langbeiniges M o del. Die Beiden lächeln glücklich in die Kamera. Ob Benni auch zu diesen Typen gehört, die sich die Cremes ihrer Freundin ausleihen? Nein, so wirkt er ganz und gar nicht. Er ist eher der män n lich kernige Naturbursche, auch wenn die Zeitschriften und der Koffer so gar nicht dazu passen. Eigentlich hätte ich in seinem Gepäck eher ein faltbares Surfbrett erwartet. Und dann entdecke ich eine winzige Kamera. Ein unscheinbares graues Ding mit einer winzigen Linse. Sieht aus wie eine Spezialanfertigung. So wie James Bond sie in seinem Koffer mit sich führen würde. Ich lege das Ding vorsichtig wieder an seinen Platz zurück und will den Koffer gerade schließen, als mich ein Geräusch zusammenzucken lässt. Ich drehe mich um so schnell ich kann , mein Magen macht die Drehung mit und ich muss schlucken.
„Was machst du denn da?“, fragt Benni mich.
„Äh, ich suche nach Wanzen“, erkläre ich ihm. Wanzen?! Ich gehöre leider nicht zu der Sorte Mensch, die in misslichen Lagen spontan geniale Einfälle haben. Ich setze mein Unschuld s lächeln auf. Das funktioniert immer bei Männern. Na ja, fast immer.
Verständnisloser Blick. „Wanzen?"
„Hast du nie James Bond gesehen?“ Das ist gut! Weiter so Julia!
Kopfschütteln.
Das muss gelogen sein. Ich kenne keinen Mann der nicht die James Bond Filme, inklusive aller alten, gesehen hat. Das gehört bei Männern zur Allgemeinbildung. Oder der Typ ist schwul, was ich schade finden würde.
„Na diese kleinen Abhörgeräte", erkläre ich geduldig.
„In meinem Koffer?“ Er sieht mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an.
„Nein , ... äh ja. Ich wollte mich nur überzeugen, dass mit deinem Gepäck alles in Ordnung ist. Man weiß ja nie, was die Leute einem so alles heimlich unterschmuggeln.“ Der Zweifel steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Er antwortet nicht, sondern zaubert stattdessen eine Flasche Bier und einen Piccolo aus seiner Jackentasche hervor.
„Und, alles in Ordnung?“, fragt er, während er das Fläschchen Sekt öffnet.
„Hä?“ Ich sehe ihn groß an.
„Na, mit meinem Gepäck?“
Ich nicke eifrig. „Ja, alles soweit in Ordnung. Sag mal Benni, meinst du, die haben hier Wanzen in unserem Abteil versteckt?“
Für einen Moment sieht er mich fassungslos an, dann fängt er an zu lachen. Erst ganz leise und dann immer lauter. Ich bin irritiert. Lacht er etwa über mich? Sein Lachen wirkt ansteckend und ich falle schließlich mit ein. Wir prosten uns zu.
„Du hast aber eine rege Fantasie!“ Seine Augen mustern mich. „Was machst du beruflich?“
„Ich bin Reporterin für eine große deutsche Zeitschrift“, erkläre ich wichtig und versuche dabei, so seriös wie möglich zu wirken.
„Toll. So wie du aussiehst, bist du bestimmt ein hohes Tier.“ Er zwinkert mir wissend zu. Ich schlucke und versuche gegen die Tränen anzukämpfen, die sich ihren Weg durch meine Ke h le nach oben bahnen.
Ich zeige auf mein verknittertes Kostüm. „Ich bin gar keine tolle Reporterin. Meine ganze Karriere ist ein Witz. Ich bin bloß eine blöde Redakteurin für eine blöde Gartenzeitschrift und das ...“ , i ch schniefe laut, „... obwohl ich die meiste Zeit keine Ahnung davon habe, was ich da e i gentlich schreibe. Und jetzt hat mich auch noch mein Freund mit seiner dickbusigen Sekretärin betrogen und ich habe meine Stelle bei Hartmann & Sohn verloren . “ Ich schluchze erneut. „Mein ganzes Leben liegt gerade in Scherben vor mir und ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll.“ Ich atme scharf aus und reiße mich schlagartig wieder zusammen. „Tut mir leid“, sage ich, „dass ich Sie
Weitere Kostenlose Bücher