Holunderküsschen (German Edition)
Strähne aus dem Gesicht. Und ich glotzte ihn blauäugig an und sagte „E cht ?“, mit einer Piep s stimme, die mich immer dann beschleicht , wenn ich völlig verunsichert bin. Noch am selben Abend landete ich mit dem Typen im Bett und am nächsten Tag hat mich mein damaliger super-mega-netter fester Freund verlassen.
Schon kurze Zeit später musste ich herausfinden, dass der Typ nicht der tolle Hecht war, für den ich ihn hielt, sondern ein Blödmann, wie er im Buche steht . Einer, der sich nur für Compute r spiele und Bier interessierte und beim Sex vergeblich nach einer Bedienungsanleitung suchte. Als er mich schließlich wegen einer anderen Blondine verließ, verlor ich meinen Glauben an die wa h re Liebe.
Es dauerte eine Weile, bis ich mich wieder in einen Mann verliebte. Das war die Zeit mit Sunji oder – wie er im richtigen Leben heißt – Rainer Strecke. Sunjii war Yogalehrer und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, mich auf den Weg der Erleuchtung zu bringen. Sunjii war derart ti e fenentspannt und fürsorglich, dass es schon nervte . Er bereitete unser Essen auf makrobiotische Weise zu und es war ihm egal, dass er dafür stundenlang in der Küche stand, während ich im Wohnzimmer mit meinen Freundinnen »Wetten dass!« glotzte .
Es war auch überhaupt kein Problem für ihn, dass ich nach der zweiten Stunde Yoga nach einer zusätzlichen Matte verlangte, da mir jeder Knochen wehtat und hauptsächlich in der »Pos i tion des Kindes« verharrte, während alle um mich herum zum »Baum« aufstiegen. Beim Sex war Sunjii so zärtlich und rücksichtsvoll, dass ich oft währenddessen eingeschlafen bin. Zu meiner Verteidigung kann ich nur anbringen , dass es nach zwei Stunden Dauerstreicheln und Tantra -S ex wohl jeder Frau so ergangen wäre. Schließlich will man doch irgendwann auch mal zum Ende kommen. Selbst als ich seine geliebten Cannabis-Pflanzen auf dem Balkon vertrocknen ließ, weil ich vergessen hatte, sie während seines einwöchigen Seminars zu gießen, blieb Sunjii ruhig. Was mich aber nur noch unruhiger machte. Das wir uns getrennt haben lag allerdings nicht an Sunjis übertriebener Ruhe und Ausgeglichenheit, sondern eher an einer netten Dunkelhaarigen, die Sunji während eines Seminar kennen gelernt und mit der er innige Stunden des »Gleichklangs der Se e len« verbracht hat. Das s die Beiden dabei auch miteinander Sex hatten, spielte laut Sunji eine untergeordnete Rolle. Sein Angebot eine Dreier-WG zusammen mit der Dunkelhaarigen zu grü n den habe ich dankend abgelehnt.
Von Benni noch immer keine Spur! Was ist hier gestern Nacht passiert? So sehr ich mich auch anstrenge, in meinem Kopf herrscht Leere. Wo steckt der Kerl? Typisch Mann, eine betru n kene, völlig wehrlose Frau schamlos auszunutzen und sich dann ohne ein Wort aus dem Staub zu machen. Wobei? Ich lasse meinen Blick durch das kleine Abteil gleiten.
Bennis Koffer steht noch immer am Bettende, dort wo er ihn abgestellt hat. Beim Anblick seines Koffers fällt mir die kleine Kamera wieder ein. Ein schrecklicher Verdacht befällt mich und für einen Moment stockt mir bei der Ungeheuerlichkeit meiner Gedanken der Atem. Könnte er ... wäre es möglich, dass er ... Bilder von mir gemacht hat? Eines ist sonnenklar, ich muss hier weg! Ich kann diesem Mann unmöglich in die Augen sehen. Das wäre so wie bei einem Vampir, der beim Anblick der Sonne verbrennt . Nur dass ich nicht verbrennen, sondern vor lauter Scham feuerrot anlaufen würde.
Mühsam richte ich mich auf. Mein Schädel droht wie eine reife Frucht zu zerplatzen, als ich zum Stuhl gehe, um mein Handy zu suchen. Immer noch kein Empfang! Das ist eine Katastr o phe. Katja hat keine Ahnung, dass ich in weniger als einer halben Stunde vor ihrer Haustür stehen werde. Hoffentlich ist sie überhaupt da. Langsam befällt mich Panik. Ist es hier drinnen so stickig oder warum bekomme ich kaum noch Luft? Ich haste zum Fenster und reiße es auf. Die kalte Zugluft schlägt mir eisig ins Gesicht. Unwillkürlich ziehe ich den Kopf zurück. Mit einem Schlag bin ich wach und das ganze Ausmaß der vergangenen Nacht wird mir mit einem Male bewusst. Der Zug verlangsamt sein Tempo.
„Meine Damen und Herren, wir werden in Kürze Hamburg Hauptbahnhof erreichen. Bitte beachten Sie ...“
Ahhh. Ich schlüpfe, so schnell es mein desolater Zustand zulässt, in meine Klamotten. Ich blinzele mit verquollenen Augen in den Spiegel, gefolgt von einem spitzem Schrei. War ich das, die da geschrien hat? Mein
Weitere Kostenlose Bücher