Holunderküsschen (German Edition)
Ahnung, also helfe ich ihr ein bisschen auf die Sprünge. Schließlich will ich ja nicht irgendeine Mitarbeiterin werden. Ich bin die zukünftige Judith Adl hoch !
„Jajaja, genau das habe ich ja gesagt“, antwortet Frau Lauschke ungeduldig. Ich will schon den Mund aufmachen, um sie zu verbessern, aber entscheide mich, es lieber sein zu lassen . S chließlich bin ich kosmopolitisch, flexibel und gut erzogen im Umgang mit Menschen. „Ich kann Ihnen einen Termin morgen um 15.00 Uhr anbieten. Würde das gehen?“
Meine Güte, das ging aber schnell. Ich schlucke. Ein leichtes Panikgefühl steigt in mir hoch. Schließlich gibt es bis zu dem Termin noch eine Menge zu erledigen. Ich muss mir etwas Ve r nünftiges zum Anziehen besorgen . Schließlich kann ich unmöglich in meinem zerknitterten Rock erscheinen und meine Haare hätten einen Besuch beim Friseur dringend nötig.
„Moment, ich muss mal nachsehen, ob morgen schon etwas anliegt“, antworte ich und raschle mit den Buchseiten, so dass es sich anhört, als würde ich oberwichtig in meinem Termi n planer suchen. „15.00 Uhr passt prima“, sage ich nach einer kurzen Pause.
„Gut“, antwortet Frau Lauschke am anderen Ende der Leitung zufrieden. „Bitte denken Sie daran, Ihre Unterlagen mitzubringen.“
„Unterlagen?“ Jetzt bin ich verwirrt. Meine letzte Bewerbung war auch gleichzeitig meine erste und da saß mir mein zukünftiger Ex-Schwiegervater gegenüber und bot mir einen Eierlikör an, während er sich darüber erkundigte, wie ich sein Prachtexemplar von einem Sohn kenneng e lernt habe. Nachdem ich ihm mehrfach versichert hatte, dass ich mit einem Ehevertrag einve r standen sein würde, stand meiner Einstellung als Redakteurin nichts mehr im Wege.
„Lebenslauf, Zeugnisse, eventuelle Bescheinigungen, veröffentlichte Arbeiten und so. Sie wissen schon“, leiert Frau Lauschke herunter. Anscheinend bin ich nicht die Erste, die diese Fr a ge stellt.
„Selbstverständlich. Ich weiß allerdings nicht, ob ich alle Unterlagen bis morgen bei mir habe. Wissen Sie, ich habe meinen Wohnort sehr kurzfristig gewechselt und deshalb nur das N ö tigste mitgenommen.“ Gut gemacht! Klingt absolut weltmännisch und flexibel.
„Aha, Liebeskummer. Ich verstehe.“ Hä, woher will die Frau das wissen? Schließlich habe ich Johann mit keinem Wort erwähnt. „Das geht schon in Ordnung. Sie können die Unterlagen ja nachreichen.“
„Danke“, sage ich noch immer etwas sprachlos, was selten genug vorkommt.
„Gut, dann bis morgen 15.00 Uhr Frau Löhmer. Bitte melden Sie sich unten am Empfang und geben Sie an , dass Sie einen Termin für ein Bewerbungsgespräch haben.“
Ich notiere mir in Gedanken alles. „In Ordnung. Einen schönen Tag noch.“
„Auf Wiedersehen Frau Löhmer“, beendet Frau Lauschke das Gespräch.
Na, das lief doch besser als gedacht! Ich schließe die Augen. Ich habe ein Vorstellungsg e spräch! Ein neuer Anfang. Licht am Ende des Tunnels.
Zufrieden schlüpfe ich aus meinem viel zu großen Schlafshirt, das mir Katja netterweise g e liehen hat und das, der Größe nach zu urteilen, nicht aus ihrem Kleiderschrank stammt. Ich gehe ins Badezimmer, wo eine herrliche Dusche auf mich wartet. Mal ehrlich, so eine Regenwasserd u sche ist doch wirklich das Allergrößte. Ich finde es müsste gesetzlich vorgeschrieben sein, dass eine Wohnung nur vermietet werden darf, wenn sie eine Regenwasserdusche besitzt. Nehmen wir zum Beispiel den Herd . D er ist in jeder Mietwohnung vorgeschrieben und in meinen Augen vö l lig überbewertet. Wer will schon kochen, wenn man abends von der Arbeit kommt? Entweder man geht essen und gönnt sich beim Italiener um die Ecke noch schnell eine Nudel oder man benutzt die Mikrowelle. Ich ziehe Lebensmittel vor, die sich einfach zubereiten lassen und für die ich keinen Herd brauche. Mir würde in den meisten Fällen ein Wasserkocher genügen. Diese chinesischen Fertignudelgerichte sind meine absoluten Favoriten. YumYum Noodles . Heiß, scharf und in zwei Minuten fertig.
Ich schließe die Augen und genieße das Gefühl der prasselnden Wassertropfen auf meiner Haut. Den heutigen Tag kann ich auf jeden Fall als Erfolgstag verbuchen. Ich kann es gar nicht abwarten, Katja von meinem Vorstellungsgespräch zu erzählen.
4. Julias Facebook Status: Shoppen!
„Bist du immer noch nicht fertig?“ Die Tür fliegt auf und Katja steht mitten im Raum.
„Wofür?“ Ich sehe meine beste Freundin fragend an. Mit ihren langen
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