Holunderküsschen (German Edition)
sein ist es gar nicht mein Geld, sondern das von Johann . Seine Kreditkarte habe ich, wie durch ein Wunder, in meinem Portemonnaie gefunden habe. Meine anfänglichen Skrupel, die Karte zu b e nutzen, haben sich schnell verflüchtigt, als Katja mich daran erinnerte, dass es ja schließlich J o hanns Schuld sei, die mich in diese misslichen Lage gebracht hat . Er habe mich mit seiner Aktion förmlich gezwungen mich neu einzukleiden, schließlich könnte ich ja nicht nur in meinem ollen Rock und der Bluse durchs Leben gehen . Und zurückfahren nach Freiburg, um meinen Kleide r schrank auszuräumen, käme gar nicht erst infrage.
Natürlich bin ich mir dabei bewusst, dass ich über fremdes Geld verfüge und gehe deshalb besonders verantwortungsbewusst damit um. Johann wäre stolz auf mich, denn ich achte auf höchste Qualität und nicht auf den Preis . W as er mir häufig genug bei meinen sonstigen Einkä u fen vorgeworfen hat. Sein Argument, ich solle mir lieber weniger, aber dafür qualitativ Hochwe r tigeres kaufen, fand ich nicht akzeptabel . Eine Frau will schließlich nicht jeden Tag das Gleiche anziehen, sondern die Möglichkeit haben zu variieren und das ist bei meinem doch relativ b e scheidenen Einkommen nun mal nur möglich, wenn man bei H&M einkauft.
Egal , diese Zeiten sind ab heute vorbei. Zwar habe ich kein Hartmännchen mehr, aber dafür besitze ich jetzt eine wunderschöne weiße Leinenhose von Jil Sander, die meinen leichten Hüf t speck auf geradezu magische Weise unsichtbar macht und die mich das erste Mal in meinem L e ben aussehe n lässt , als ob ich meterlange Beine hätte. Dazu eine passend e hellblaue Bluse, die laut Katja meine Augen erst zum Leuchten bringt, und samtweiche Ledersandalen. Der reizende Verkäufer versichert mir, dass ich in diesem Outfit einfach unwiderstehlich aussehe. Beflügelt von so viel en Komplimenten, gehen mir die nächsten Einkäufe mit Johanns Kreditkarte noch deutlich leichter von der Hand.
Unter Katjas strengem, modisch geschultem Auge erstehe ich noch zwei Jeans einer ang e sagten Marke, die einen richtigen Knack -P o machen, mehrere T-Shirts, die meine Körbchengröße von 75a auf eine stattliche 75b vergrößer n , drei Blusen, ein Wickelkleid von Diane von Fürste n berg , einen Rock von Wunderkind , einen Swingermantel für kühlere Tage, den ich kostengünstig bei Zara gekauft habe, ein Paar Pumps, ein Paar hochhackige schwarze Stiefel, schwarze Chucks und haufenweise neue Unterwäsche. Mal ehrlich, wer will schon die Unterwäsche tragen, in der man seinen Ex-Freund verführt hat! Nein, zu einem Neuanfang gehört neue Unterwäsche ebenso dazu wie neue Klamotten, neues Parfum und eine neue Wohnung. Das verschafft ein völlig neues Körpergefühl!
Ich addiere in Gedanken meine bisherigen Ausgaben. Mir wird heiß und kalt, während ich über die Summe nachdenke, die am Ende des Tages – von Johanns Konto – abgebucht wird .
Katja sieht mich von der Seite an. „Pumbi, geht es dir gut? Du bist plötzlich so blass.“
Ich bleibe abrupt stehen und schnappe nach Luft, wie ein Fisch auf dem Trockenen. „Oh mein Gott! Ich habe gerade knapp tausend Euro ausgegeben“, flüstere ich heiser und schlucke. „Das verzeiht mir Hartmännchen nie!“
„Nicht du.“ Katja hakt sich bei mir ein und zerrt mich weiter, um nicht den Strom der Me n schen zu behindern, die sich hinter uns drängen. „Sieh es als eine Art Spende, die dir dein Schwein von einem Ex-Freund vermacht hat, damit du über das Trauma hinwegkommst, das du nach dem Anblick von Titten-Annette erlitten hast. Solltest du trotzdem noch Bedenken haben, dann denk einfach an die neuen Losungswörter in deinem Leben. Selbstbewusstsein. Erfolg. Spaß.“ Sie strahlt mich an. „Und ...“ Katja holt tief Luft für ihr letztes wirklich überzeugendes Argument. „ ...Titten-Annette! “
Schlagartig fühle ich mich besser. „Okay, du hast Recht.“ Ich spähe zu dem kleinen Café rüber, das direkt an der Alster liegt und bestimmt sündhaft teuer ist. „Lust auf einen Latte Ma c chiato?“
Nachdem wir den herrlichen Ausblick auf die Alster in dem sündhaft teuren Café genossen haben, machen wir uns auf den Weg zu Katjas legendärem Friseur Harald. Der Laden liegt in der Schanze, dem ehemaligen Drogenbezirk. Das Publikum ist hier, anders als in Eppendorf, bunt gemischt. Einige wenige Punker faulenzen am Seitenrand im Schatten der Häuser , während Mü t ter mit Kindern, Mitglieder verschiedener
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