Holunderküsschen (German Edition)
daran gearbeitet. Eigentlich wollte ich den Artikel Miriam persönlich geben, aber da du ja nun hier der Chef bist ... hier." Schweigend nimmt Benni die Blätter entgegen. „Falls du noch Fragen dazu haben solltest, ich hinterlasse bei Emma meine E-Mail-Adresse."
Mein Handy klingelt.
„Wenn du mich bitte entschuldigen würdest …“ Ich greife nach dem Telefon, „ ... mein Ve r lobter ist am anderen Ende.“
Benni nickt mit versteinerter Miene. Dann geht er – aus meinem Leben.
15. Julias Facebook Status: Freiburg ich komme!
„Hallo ? “
„Hallo, Kleines. Deine Mutter und ich wollten dir nur mitteilen, dass wir heil auf Sylt ang e kommen sind.“ Mein Vater klingt fröhlich.
„Nun frag sie schon“, höre ich meine Mutter aus dem Hintergrund drängeln.
„Äh, ich soll dich von Mama fragen, was nun mit dir und Johann ist.“
„Hör mal Papa, ich kann jetzt nicht ... es tut mir leid ... ich muss weg“, sage ich schwach. „Wir telefonieren morgen, ja?“ Dann lege ich auf.
Kein Gespräch mehr annehmen. Tasche nehmen. Abhauen.
Als ich mit zittrigen Fingern den Rei ß verschluss meiner Aktentasche zuziehe, kommt E m ma in mein Büro.
„Julia, ich wusste ja gar nicht, da s s du und ...“
„Ich kann nicht“, sage ich wie betäubt. „Ich kann mit niemanden reden. Ich muss ... ich muss ...“
Ich schnappe mir meine Jacke , renne aus dem Büro und den Gang entlang bis zum Fah r stuhl. Überall stehen Leute herum und diskutieren über das gestrige Fernsehinterview und den damit verbundenen Chefwechsel. Einige winken mir zu, als ich an ihnen vorbeieile.
„Julia!“ Als ich auf den Fahrstuhl zugehe, ergreift mich jemand am Arm. Ich drehe mich um. Es ist Miriam.
„Gut, dass ich Sie treffe. Ich wollte gerade zu Ihnen kommen und Sie wegen des Artikels fragen, den Sie und Benjamin , äh Herr Wagner , zusammen verfasst haben.“ Sie stockt und sieht mich dabei an. „Aber Julia, Sie weinen ja?“
Ich weiche zurück. Tatsächlich laufen mir die Tränen in Sturzbächen die Wangen herunter. Entsetzt winde ich mich aus ihrem Arm und poltere zum sich öffnenden Fahrstuh l.
„Hey, Julia“, begrüßt mich Thomas beim Aussteigen. Ich ignoriere ihn einfach . Die Aufzu g tür schließt sich nach mir. Gott sei Dank bin ich allein. Unten angekommen, sprinte ich zum Ei n gang wie bei einer Verfolgungsjagd . Meine Schritte mit den Pumps klappern auf dem Ma r morboden. Als ich die schwere Glastür aufstoße, schlendert gerade ein junger Mann herein und starrt mir unverhohlen auf meine Brüste.
„Was glotzt du so? Idiot!“, fauche ich ihn an. Der Mann zuckt zusammen. Schließlich b e komme ich die schwere Tür auf und renne hinaus, die Straße entlang, ohne mich nach rechts oder links umzusehen. Irgendwann bleibe ich erschöpft stehen, sinke auf eine Parkb ank und vergrabe das Gesicht zwischen den Händen. Einige Leute glotzen mich an, aber das ist mir egal. Ich bin so gedemütigt und am Ende, da spielen die paar Leute auch keine Rolle mehr.
Ich fühle mich wie ein Vollidiot . Natürlich hat er sich nicht ernsthaft für mich interessiert. Männer wie Benni interessieren sich nicht für kleine angestellte Journalistinnen. Männer wie Benni denken in anderen Sphären. Da muss schon ein bekanntes Model oder eine Society Lady her.
„Machen Sie sich nichts draus, Süße!“, reißt mich die kratzige Stimme einer älteren Dame aus meinen Gedanken, die sich soeben neben mir auf die Parkbank fallen lässt. „Der Kerl ist es nicht wert, dass Sie sich ihr hübsches Gesicht mit Wimperntusche verschmieren.“ Sie reicht mir ein echtes Taschentuch. „Hier.“
„Danke.“ Ich nehme das Tuch und schnäuze einmal kräftig hinein. „Jetzt kann ich es Ihnen nicht mehr zurückgeben“, bedauere ich.
„Ach, das macht doch nichts, Kindchen.“ Sie tätschelt mir tröstend die Schulter. „Ich habe z uhause einen ganzen Schrank voll damit.“ Ihre Augen blicken gütig auf mich herab.
„Woher wussten Sie , dass es ein Mann ist?“
„Warum sonst weinen wir Frauen vor Kummer? Es ist immer wegen eines Mannes, der uns verlassen oder betrogen hat. Was ist es in Ihrem Fall?“
„Betrogen und verlassen“, stoße ich hervor und kämpfe erneut gegen die Tränen.
Die Frau lächelt mich tröstend an. „Nehmen Sie es sich nicht so zu Herzen, Kindchen. Kein Mann der Welt ist es wert, dass Sie so wegen ihm weinen. Am besten Sie fahren nach Hause und machen sich einen schönen Tee. Das beruhigt. Haben Sie eine
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