Holunderküsschen (German Edition)
Zeilen. Mein Herz klopft mir bis zu den Ohrläppchen, wä h rend ich sie dabei beobachte. Emma ist die Erste, die meinen Artikel liest. Noch nicht einmal Katja hat ihn gelesen. Ich halte unwillkürlich die Luft an.
Nachdem Emma fertig ist, macht sie eine Pause und sieht bedeutungsvoll in die Ferne.
„Wenn du mir nicht gleich sagst, wie du ihn findest ...", platze ich los, „... dann ersticke ich vor deinen Augen."
„Der Artikel ist absolut super! Du bist ein Genie, Julia! Dein Schreibstil ist flüssig, deine Bemerkungen amüsant. Ich denke, die Hirsekorn wird begeistert sein. Apropos Hirsekorn, hast du schon das Neueste gehört?" Emmas Augen leuchten.
„Du meinst den Wechsel der Geschäftsführung?", antworte ich bitter.
„Ja, ist das nicht toll?" Emma klatscht vor Begeisterung in die Hände. „Benjamin Wagner wird unser neuer Chef."
„Ja, toll", brumme ich lustlos.
„Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?", unterbricht Emma ihren kleinen Fre u dentanz. „Wir kriegen den schärfsten Chef des gesamten Verlagswesens und du ziehst ein G e sicht wie hundert Jahre Regenwetter."
„So siehst du mich also. Gut zu wissen!" Benni steht im Türrahmen und zwinkert Emma zu. Es ist das erste Mal, das s ich Emma rot werden sehe.
„Kannst du nicht anklopfen? Oder gehört das zu deinen Angewohnheiten, wie das Anlügen seiner Angestellten?"
Emma sieht mich entsetzt an. Benni räuspert sich.
„Emma, wenn du uns kurz entschuldigen würdest. Ich würde gerne mit Julia unter vier A u gen sprechen." Emma schickt sich an zu gehen.
„Halt!" Ich strecke die Hand in die Luft. „Was du mir zu sagen hast, kannst du ruhig vor Emma sagen. Ich habe im Gegensatz zu dir nichts zu verbergen." Meine Stimme klingt hyst e risch.
„Julia, bitte ..." , Benni runzelt die Stirn, „was soll das ganze Theater ...?"
„Das Gleiche könnte ich dich fragen. Erst gehst du mit mir ins Bett und dann haust du ab und ich erfahre durchs Fernsehen, dass du mein neuer Chef bist . " Ich koche innerlich vor Wut.
„Tja Leute, ich geh dann mal." Emma hat einen hochroten Kopf. „Das scheint mir dann doch ein eher privates Gespräch zu sein."
Benni nickt ihr dankbar zu. Ich bemerke die Fältchen um seine Augen, die sich scheinbar über Nacht gebildet haben. Bevor Emma aus dem Raum verschwindet, wirft sie mir noch ein lautloses »Wow!« zu.
„War das wirklich nötig vor Emma eine solche Szene zu machen?" Bennis Augen halten mich gefangen.
„Ja, war es!" Nein, war es nicht . A ber um das zuzugeben bin ich zu stolz. Außerdem m a chen wir Frauen gerne mal eine Szene. Ich finde, das gehört zu einem richtigen Streit dazu. Mä n ner tun immer so cool und überheblich. Die einzige Möglichkeit, einen Mann aus der Fassung zu bringen und ihm die Wahrheit zu entlocken ist, ihm eine hollywoodreife Szene abzuliefern. Das bringt selbst den coolsten Kerl au s der Fassung, weil das gegen sein rationales Denken geht.
Ich starre krampfhaft auf meine Füße, denn bei Bennis Anblick bekomme ich weiche Knie und meine Hormone übernehmen ganz schnell wieder das Kommando.
„Julia, ich weiß, ich habe dich verletzt." Bennis Schuhe kommen in mein Sichtfeld am B o den. „Aber du musst mir glauben, ich habe selber nichts von der Sache gewusst." Seine Schu h spitzen berühren fast die meinen. „Julia, hörst du mir überhaupt zu?"
Ich löse meinen Blick von den Schuhspitzen und sehe Benni direkt ins Gesicht.
„Hör auf, mich für dumm zu verkaufen. Du willst mir doch nicht im Ernst weiß machen, deine Mutter hat dir nichts davon gesagt , d ass sie dich und deine Schwester zum Verlagsleiter ernennt. Schließlich hat sie euch mit zu dieser Pressekonferenz genommen und das nicht ohne Grund." Ich atme demonstrativ laut aus.
„Du musst mir glauben, dass ich von der ganzen Sache keine Ahnung hatte. Welchen Grund könnte ich haben, dich anzulügen?"
„Muss ich!? Ehrlich gesagt, ich glaube dir kein Wort. Du hast mich von der ersten Minute an belogen und mich im Glauben gelassen, dass du Fotograf bist und für die Hirsekorn ... en t schuldige: deine Mutter ... arbeitest. Die kleine Tatsache, dass du ihr Sohn bist, hast du dabei leider unterschlagen. Aber ist ja auch klar, schließlich bin ich ja auch nur ein kleines dummes Blondchen, das du zufällig im Zug getroffen hast." Ich funkele ihn wütend an.
„Wie kommst du denn auf den Quatsch? Ich habe dich nicht belogen. Niemals. Keiner in der Firma weiß beziehungsweise wusste, dass Elisabeth
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