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Holunderliebe

Holunderliebe

Titel: Holunderliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Tempel
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einmal, dass ein Mensch sich wie ein Fisch im Wasser bewegen konnte. Obwohl ihr Vater wie alle seine Vorfahren Fischer auf dem See war, konnte keiner von ihnen schwimmen. Wenn ein Boot unterging, dann nahm es auch das Leben der Männer mit, die darauf arbeiteten.
    Kurz entschlossen schlüpfte sie aus ihrem Kleid und watete ins Wasser. Sie konnte ihm nicht entgegenschwimmen – aber immerhin im See auf ihn warten. Das klare Wasser umfing ihren schmalen Körper, und sie tauchte bis zum Hals unter. Thegan erkannte sie und schwamm etwas schneller. Als er bei ihr ankam, war er außer Atem, und seine Augen strahlten. »Du wagst dich ins Wasser?«, meinte er lachend. »Pass nur auf, dass die Geister des Sees dich nicht erwischen!«
    »Die Mönche sagen, dass es gar keine Geister gibt«, entgegnete sie ernst. »Und wenn es sie doch geben sollte, dann helfen sie doch jeden Tag, dich zu heilen. Vor ihnen kann ich gar keine Angst haben!«
    Er nahm sie in seine Arme, und sie schloss die Augen, um das Gefühl seiner kühlen, nassen Haut zu genießen. Für einen Moment lang konnte sie sich einbilden, dass es auf dieser Welt nichts anderes als sie beide gab.
    Er sah sie prüfend an. »Du wirkst traurig. Was bedrückt dein Herz?«
    »Mein Vater. Er befürchtet, dass ich mich mit dir getroffen und mich in dich verliebt habe. In einen Mann, der sicher nicht an meiner Seite leben kann und darf.« Sie sah ihn ernst an. »Stimmt das?«
    »Hemma, ich habe nicht vor, meinen Vater über mein Leben bestimmen zu lassen. Ab sofort mache ich, was ich will. Du solltest mal Gottschalk hören – der glaubt, dass ein jeder seinen Weg selber finden muss, der ins Himmelreich führt. Und ich bin mir sicher, dass mein Weg an deiner Seite ist.« Er sah sie an, und die Fältchen um seine Augen vertieften sich. »Womöglich bin ich sogar schon im Himmel, und du bist die Belohnung für meinen Kampf im Auftrag des Christentums?«
    Sie schlug mit der flachen Hand auf das Wasser, das sich in einem glitzernden Schwall über seinen Kopf ergoss. »Das hier ist ganz bestimmt nicht der Himmel!«, rief sie. »Und noch weniger kann ich glauben, dass unsere Liebe deine Belohnung für treue Dienste ist. Die Wahrheit ist: Ich bin kein Engel! Merk dir das!«
    Er wischte sich die Tropfen aus den Augen. »Für mich bist du es aber schon. Also doch das Paradies …« Er drückte ihr einen Kuss auf die Lippen, der sie wohl zum Schweigen bringen sollte. Hemma erwiderte ihn und öffnete leicht ihre Lippen, während sie spürte, wie sehr ihr Körper nach dem mageren Mann in ihren Armen verlangte. Thegan löste sich vorsichtig aus dem heftiger werdenden Kuss.
    »Es ist helllichter Tag, und ich kann dir versichern, dass ich in dieser Bucht nur selten längere Zeit ungestört bin. Nimm Vernunft an, Hemma.« Er küsste sie sanft. »Aber ich hoffe, wir sehen uns heute Abend.«
    Damit wandte er sich um, griff nach ihrer Hand, und sie verließen gemeinsam den kalten See. Dann setzten sie sich unter einen blühenden Holunderstrauch, der betörend in der Nachmittagssonne duftete. Bienen summten in den Blüten, und Thegan genoss diesen Moment des perfekten Friedens. Dann griff er nach seinen Beinkleidern und fing an, sich wieder anzuziehen. Hemma sah ihm zu, ohne Anstalten zu machen, sich selbst zu bedecken. Sie schien in ihren Gedanken gefangen.
    »Wach auf, Hemma!«, rief Thegan und warf ihr das Kleid zu. »Deine Kleidung wartet auf dich. Wenn jetzt jemand kommt, dann wirke ich wie ein Unhold, der die keusche Magd am Seeufer verführt hat …«
    »… und du solltest nicht darauf bauen, dass ich die Wahrheit erzähle!«, konterte Hemma, die ihre trüben Gedanken abgeschüttelt hatte.
    »Und die wäre?«, fragte Thegan grinsend.
    »Dass ich von dir verschmäht wurde, obwohl ich dir nackt in den See gefolgt bin – und das nur, weil du fürchtest, wir könnten entdeckt werden.« Herausfordernd sah sie ihn an.
    »Verschmäht? Bloß weil ich ausnahmsweise einmal ein wenig Vernunft einsetze?« Mit gespielter Empörung warf er sich auf sie und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, dann auf den Mund.
    Hemma zog ihn an sich. »Komm jetzt, lass dich nicht so bitten …« Dieses Mal konnte er der Versuchung nicht widerstehen und nahm sie fest in seine Arme, während sich ihre Körper vereinigten. Wäre jetzt ein ganzes Heer am Uferweg vorbeigezogen, sie hätten es nicht bemerkt.
    Bald darauf schob er seine Beinkleider wieder nach oben. »Ich bitte dich, zieh dich wieder an. Ich möchte

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