Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Holunderliebe

Holunderliebe

Titel: Holunderliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Tempel
Vom Netzwerk:
aromatischen Blätter, die allesamt noch zart und klein waren. Der Geruch, der ihnen dann anhaftete, war für mich schöner als jedes Parfüm.
    In den anderen Beeten sah ich Lavendel, die ersten Triebe von Ringelblume und Arnika – aber Simon lief weiter, bis er die letzten Beete des Gartens erreichte. Er deutete auf das erste. »Hier habe ich relativ gängiges Wildkraut gesammelt, so gut es geht – ich möchte nicht für jeden Stängel über die Wiesen wandern. Oder meine Kräutersammlerin anrufen, die das für mich erledigt. Schafgarbe ist zum Beispiel ein so gutes Heilkraut, dass ich wahrscheinlich einen ganzen Acker vollstellen könnte.«
    »Schafgarbe, Ehrenpreis, Knoblauchsrauke … noch hast du mich nicht überrascht«, meinte ich lachend. »Obwohl du wahrscheinlich der erste Gärtner bist, der für diese Pflanzen eigens eine Ecke in seinem Garten reserviert.«
    »Hier wird es spannender!«, kündigte Simon an und trat an ein großes Beet, das sich in die Ecke des Kräutergartens schmiegte. Einige große Findlinge erzeugten den Eindruck eines Steingartens. Ich deutete auf ein paar dunkelgrüne Blätter zu ihren Füßen, an denen sich schon eine kleine Blüte zeigte. »Heuhechel? Das baust du an? Ist das zu irgendetwas anderem gut, als sich die Dornen beim Barfußgehen in die Füße zu rammen?«
    »Eine Teekur ist prima gegen Blasenentzündung.« Simon schien die unscheinbare Pflanze verteidigen zu wollen. Er deutete auf einen kleinen Busch, der sich zwischen zwei der Steine drängte. »Wie der Nelkenwurz, der ist gut für Entzündungen im Mundraum. Wusstest du, dass der früher Benediktinerkraut genannt wurde, weil die ihn in ihren Gärten hatten?«
    »Nein.« Neugierig musterte ich die Pflanzen, die hier wuchsen. Manche strebten jetzt schon halbmeterhoch an die Sonne, andere krochen auf den Boden gepresst dahin, wieder andere bestanden fast nur aus Stacheln. Mein Wissen über Pflanzen kam hier an seine Grenzen. »Du hast recht. Von diesen hier kenne ich nicht einmal die Hälfte. Ich habe allerdings auch nicht geahnt, dass sich irgendjemand die Mühe machen würde, Pflanzen anzubauen, die zum Teil auf jeder Wiese wachsen.«
    »Jede Wiese ist eine Aussage, die du spätestens dann anzweifelst, wenn du etwas ganz Bestimmtes suchst. Es gibt zwei Frauen, die für mich Wildkräuter sammeln. Aber in gewissen Jahren wirken manche Kräuter wie ausgestorben. Dann bin ich dankbar, wenn ich hier noch ein paar Exemplare finde. Obwohl es wirklich schwer ist, diese Dinger gezielt in ein Beet zu setzen. Die lieben ihren Boden, ihre Lichtverhältnisse und wollen nicht verpflanzt werden.« Er zuckte mit den Schultern. »Da sind sie wohl wie so mancher Mensch, der sich nicht von seinem Standort lösen kann. Ich kann mir schließlich auch nicht vorstellen, diese Insel zu verlassen.«
    Am Eingang des Gartens tauchte eine Frau auf, die Simon zuwinkte, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Unauffällig nickte ich in ihre Richtung. »Ich fürchte, meine Privatführung ist jetzt zu Ende. Kundschaft für dich.«
    Simon drehte sich um, winkte und machte sich mit mir auf den Rückweg. »Ich glaube, diese Frau lebt von meinen Tees. Das wird leider etwas länger dauern, sie kommt aus Konstanz.«
    »Gibt es da keine Teeläden?«
    »Niemanden wie mich!«, erklärte Simon selbstbewusst.
    »Was bin ich denn schuldig für meine Tees?«, fragte ich eine Spur zu hastig. »Ich störe dann auch nicht weiter.«
    »Du störst gar nicht«, erklärte er. »Ich habe einen Vorschlag: Ich lade dich zu den Tees ein, und du isst heute Abend mit mir. Ist das in Ordnung?«
    Damit hatte ich nicht gerechnet. »Aber sicher«, stammelte ich. »Wo soll ich denn hinkommen?«
    »Na, hierher natürlich. Ich koche uns etwas. Und keine Sorge, ich mische keine Kräuter in die Suppe, die ich dir nicht vorher erkläre. Versprochen!«
    »Davor habe ich keine Angst. Ich komme gerne. Auch wenn es ein merkwürdiger Deal ist, wenn du mich erst auf ein paar Tassen Tee einlädst – und mir dann meine Schulden erlässt, wenn ich auch noch dein Essen verspeise. Wann denn? Um sieben?«
    »Ja, da schließe ich ohnehin den Laden ab. Ich wohne im Stockwerk darüber.« Er sah mir einen Moment lang in die Augen, und ich merkte erst jetzt im Sonnenlicht, dass seine Augen gar nicht dunkelbraun, sondern dunkelgrau waren. »Und ich freue mich, wenn ich eine verwandte Seele finde, mit der ich über Pflanzen reden kann. Die meisten Menschen halten mein Wildkräuterbeet eher für eine

Weitere Kostenlose Bücher