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Holunderliebe

Holunderliebe

Titel: Holunderliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Tempel
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griff mit geübtem Griff Rothild zwischen die Beine und schüttelte dann fast unmerklich den Kopf.
    Hemma sah die junge Frau an. »Was ist denn los? Was stimmt nicht?«
    Die hob die Schultern. »Es will sich nicht drehen. Der Kopf muss sich ein wenig wenden, damit es den Weg ins Licht finden kann. Aber ich habe schon alles versucht – und jetzt verlassen Rothild allmählich die Kräfte. Ich weiß nicht, wie ich ihr noch helfen kann.«
    »Hast du denn schon den Mönch um Hilfe gebeten?«
    Die Hebamme lachte bitter auf. »Als ob ein Mönch etwas vom Kinderkriegen verstünde. Der steht doch nur ratlos davor und betet ein wenig. Obwohl ein Gebet allmählich angebracht wäre …«
    »Aber er wüsste vielleicht, wie man Rothild wieder ein wenig Kraft geben kann, die ihr gerade so sehr fehlt! Wie kann man denn den Kopf dazu bringen, sich doch noch zu drehen? Es muss doch einen Weg geben, diesem sturen Kind den richtigen Weg zu zeigen!«
    Nachdenklich sah die Hebamme auf Rothild hinab. »Meine Mutter hat mir einst erzählt, dass es nützen kann, die Gebärende zu bewegen. Wenn du mir hilfst, dann könnten wir das noch versuchen, auch wenn ich daran nicht so recht glauben mag. Manche Kinder wollen den Leib ihrer Mutter einfach nicht verlassen. Sie nehmen ihre Mütter mit in den Tod. So ist das eben.«
    »Das muss aber nicht so sein«, erklärte Hemma mit fester Stimme. »Und solange Rothild noch atmet, will ich nicht schon ihre Messe bestellen.«
    »Gut. Dann musst du mir helfen.« Die Hebamme deutete auf die Beine von Rothild. »Hilf mir, sie auf die Seite zu legen.«
    »Einen Augenblick!« Hemma lief in den anderen Raum zurück. »Reginolf, du musst ins Kloster und nach Walahfrid fragen. Er soll seine kräftigenden Tränke mitbringen. Und alles, was er hat, um Rothild zu helfen!«
    »Aber die Hebamme ist doch schon da!« Reginolf sah sie verwundert an. »Was kann da ein Mönch bewirken?«
    »Er kennt mehr Kräuter als sie!«, rief Hemma. »Und jetzt beweg dich, und sitz hier nicht jammernd herum. Das hilft deiner Frau kein bisschen weiter.«
    Zögernd verließ der Schreiner sein Haus. Wenn schwangere Frauen einen anschrien, dann war das kein guter Moment, um mit ihnen zu streiten – das war ihm schon klar.
    Hemma griff mit entschlossener Miene nach den blutverschmierten Beinen ihrer Freundin und half mit, sie auf ihre Seite zu wuchten. So warteten sie die nächsten beiden Wehen ab – dann legten sie Rothild auf die andere Seite. Es wurde draußen dunkel, das Zimmer war nur noch von zwei flackernden Tranfunzeln erleuchtet, als Hemma hörte, wie Walahfrid und Reginolf eintrafen.
    »Ich werde nicht viel helfen können«, sagte Walahfrid, während er ins Zimmer trat. Hemma hatte ein Laken über ihre Freundin geworfen, damit die Schicklichkeit gewahrt blieb.
    »Als Erstes gebe ich ihr einen Trank, der ihr die Schmerzen nimmt und die Kraft zurückgibt«, erklärte er und kramte in seinem Beutel nach einem kleinen tönernen Fläschchen. Er zog den Korken heraus und legte die Öffnung Rothild an die Lippen. »Trink!«, befahl er. Die erschöpfte Frau schluckte gehorsam.
    Wenig später öffnete sie die Augen wieder, und Hemma glaubte zu erkennen, dass ein wenig Leben in sie zurückgekehrt war. Die Hebamme nahm ihr Gesicht in beide Hände. »Du musst jetzt noch einmal kämpfen, hörst du? Dein Kind hat sich jetzt vielleicht gedreht, aber jetzt musst du es herauspressen. Ein letztes Mal noch, hörst du mich?«
    Rothild nickte fast unmerklich. Als die nächste Wehe über sie hereinrollte, richtete sie sich auf. Mit einem tiefen Grunzen, das fast unmenschlich wirkte, schien sie noch einmal alle Kräfte zusammenzurufen, die in ihr steckten.
    Walahfrid verschwand in Richtung Tür. »Was hier vor sich geht, ist sicherlich nicht für die Augen eines Mannes bestimmt.« Keiner beachtete ihn. Hemma stützte Rothild, so gut es ging, im Rücken, die Hebamme kniete sich zwischen die Beine und rief: »Es kommt! Es hat wirklich seinen Kopf gedreht! Ich kann schon die Haare sehen! Komm jetzt, einmal noch – dann hast du es geschafft!«
    Einen Augenblick später rutschte das blutverschmierte Baby aufs Bett, gefolgt von einem Schwall Blut. Rothild ließ sich wieder nach hinten sinken und wurde mit einem Mal leichenblass.
    Das Baby lag leblos in den Tüchern. Die Hebamme nahm es mit einem schnell Griff in ihre Hände, hob es an den Beinen in die Luft und schlug ihm beherzt auf den Po. Der Mund klappte auf, einen Moment lang wirkte das

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