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Holundermond

Holundermond

Titel: Holundermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Wilke
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zu erreichen, und von ihren Beobachtungen in der Kirche, in die sie Holzer gefolgt waren.
    Nachdenklich stand Viviane auf und legte ein weiteres Scheit Holz in den Herd. Dann drehte sie sich zu Nele um. »Was weißt du über das Flammenschwert?«
    »Sie hat gesagt, es sei das Schwert eines Erzengels.« Unbemerkt war Flavio in die Küche gekommen.
    Nele zuckte zusammen. Auf Flavio hatte sie jetzt gar keine Lust. Mürrisch beugte sie sich wieder über ihre Tasse.
    »Ja, das Flammenschwert ist das Schwert des Erzengels Michael.« Viviane nickte.
    Nele konnte es nicht lassen, Flavio einen triumphierenden Blick zuzuwerfen. Genau das hatte sie ihm doch schon gesagt. Flavio glitt achselzuckend neben Nele auf die Bank und griff nach einem Brötchen. Schnell rückte Nele, so weit es ging, von ihm ab und beobachtete Viviane, die eine weitere Tasse mit dampfendem Kakao füllte und diese vor Flavio auf den Tisch stellte.
    Offensichtlich hatte Viviane von ihrem nächtlichen Streit nichts mitbekommen. Zumindest tat sie so, als wäre alles in bester Ordnung zwischen ihr und Flavio. Neleschob das Brötchen von sich. Ihr war der Appetit vergangen. Sie wollte Viviane noch so vieles fragen, aber jetzt, mit Flavio neben sich, brachte sie kein Wort mehr über die Lippen.
    »Was weißt du sonst von den Erzengeln?«, fragte Viviane leise.
    Nele blickte Viviane mit großen Augen an. Warum interessierte sie das? Jan hatte ihr von vier Erzengeln erzählt: Michael, Gabriel, Uriel und Raphael. Die Erzengel galten als die Hüter der Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft. Die Elemente! Nele erstarrte. Hatte nicht der verrückte Mönch auf dem Naschmarkt etwas von den Elementen Gottes gerufen? Was sollte sie jetzt sagen? Schnell biss Nele in ihr Brötchen. Was, wenn Viviane mit diesem Holzer gemeinsame Sache machte und sie nur in eine Falle locken wollte? Auf keinen Fall durfte Viviane erfahren, dass sich Jans Notizbuch in ihrem Besitz befand.
    »Über die Erzengel?« Es fiel ihr schwer, vollkommen ruhig zu wirken. »Ich weiß nicht viel darüber. Michael kenne ich nur, weil ich mal ein Gemälde gesehen habe, auf dem er abgebildet war. Er stand vor den Toren des Paradieses und bewachte den Eingang.« Sie hob bedauernd die Schultern und zu ihrer Erleichterung nickte Viviane nur.
    »Das stimmt. Michael ist einer der Wächter.«
    »Es gibt noch mehr Wächter?«
    Nele stöhnte leise. Warum musste sich Flavio ausgerechnet jetzt einmischen?
    »Es gibt vier Wächter.« Viviane sah Nele tief in die Augen. »Ich denke, Nele kann dir alles über die anderen erzählen.«
    Nele fühlte sich ertappt. Viviane hatte sie durchschaut. Wenn sie noch irgendetwas von Viviane erfahren wollte, musste sie jetzt antworten.
    Sie holte tief Luft. »Die Erzengel sind die Wächter der vier Elemente«, erklärte sie Flavio, der sie nur verständnislos anstarrte. »Michael bewacht das Feuer, Gabriel das Wasser. Der Hüter der Erde ist Uriel und Raphael gilt als der Schutzpatron der Luft.« Schnell wandte Nele den Blick ab. Sie hatte keine Lust, weitere Fragen zu beantworten.
    »Vier Elemente, vier Engel, vier Gegenstände.« Viviane stand auf und schaute aus dem Fenster.
    Nele hielt die Luft an. Vier Himmelsrichtungen, fügte sie in Gedanken dazu. Plötzlich hatte sie es sehr eilig. Sie musste unbedingt noch einmal einen Blick in Jans Notizbuch werfen. Sie trank ihren Kakao aus, schnappte sich ein Brötchen und sprang auf.
    »Ich lege mich noch ein wenig hin, bin wieder müde.« Hoffentlich akzeptierte Flavio diese Ausrede und ließ sie in Ruhe.
    Sie stand schon in der Küchentür, als Viviane zu ihr sagte: »Nur für den Fall, dass du den Engel in der Mariahilfer Kirche besuchen möchtest: Du solltest dir dort unbedingt auch die Gruft anschauen.«
    »Die Gruft?« Nele hob fragend die Augenbrauen.
    Viviane nickte. »Unter der Kirche befindet sich eine Gruft. Diese wurde vor einigen Jahren ausgebaut und dient nun als Treffpunkt für die Sandler Wiens.«
    »Für wen?«
    »Für die Sandler. Sandler sind Obdachlose, Pennbrüder, Menschen ohne festen Wohnsitz. In der Gruft unter der Kirche können sie schlafen und auch eine warme Mahlzeit bekommen. Eine sehr wertvolle Einrichtung, wie ich finde.« Nele musste an den verrückten Mönch auf dem Naschmarkt denken. Ob er in der Gruft war? Dann würde sie einen großen Bogen darum machen. Andererseits – er war es, der von den Elementen Gottes gesprochen hatte. Vielleicht wusste er mehr von den geheimnisvollen Dingen, die hier vor sich

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