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Holundermond

Holundermond

Titel: Holundermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Wilke
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Gemälde und goldenen Statuen wichtiger waren als seine Familie.
    »Ich gehe nach oben in mein Zimmer. Kommst du mit?« Es gelang Nele nicht länger, ihre Enttäuschung über Jans Verhalten zu verbergen.
    Flavio nickte und warf seinem Vater einen finsteren Blick zu. Es hätte gemütlich sein können in der alten Küche um den großen Tisch, wäre da nicht erst Jans Anruf gewesen und dann die heftige Diskussion zwischen Giovanni und seinem Sohn.
    Nele hatte kein Wort verstanden, aber aus Giovannis Tonfall hatte sie geschlossen, dass er zornig war.
    »Mal im Ernst.« Flavio ließ sich auf Neles Bett fallen. »Du glaubst doch nicht wirklich, dass dein Vater in Linz ist? Da stimmt doch was nicht. Jan verschwindet und gleichzeitig macht Holzer meinem Vater die Hölle heiß, dass er nur ja aufpassen soll, dass wir uns nicht mehr in der Kartause herumtreiben.«
    »Du meinst, Jan ist nicht in Linz?« Ungläubig sah Nele Flavio an. »Aber er hat es mir doch selbst gesagt, vorhin am Telefon.«
    »Giovanni hat getobt. Hat mir verboten, das Kloster jemals wieder zu betreten. Und weißt du warum? Dieser Holzer steckt dahinter. Der macht ihm Druck. Will das Kloster für sich allein haben. Erst kürzlich hat er die Maler weggejagt, die sich die alten Gemälde ansehen wollten. Er hat die Gärtner nach Hause geschickt, die den Kaisergarten neu anlegen sollten. Und meinem Vater hat er verboten, das Kloster weiterhin Touristen zu zeigen.«
    »Es tut mir leid, dass dein Vater jetzt so böse auf dich ist«, murmelte Nele, »das ist allein meine Schuld.«
    »Ach was. « Flavio zuckte mit der Schulter. »Der kriegt sich wieder ein. Viel wichtiger ist, dass wir endlich herausfinden, was hier eigentlich gespielt wird. Was wollte dein Vater in der Kartause? Und was sucht Holzer dort? Hat Jan dir nicht vielleicht doch irgendetwas erzählt, das uns weiterhelfen könnte?«
    Nele schüttelte den Kopf.
    Flavio stieß einen tiefen Seufzer aus und verdrehte die Augen. Dann schlug er sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Wie konnte ich das bloß vergessen?« Triumphierend zog er ein kleines schwarzes Heft aus der Tasche seiner Jeans.
    »Das Notizbuch!«, rief Nele laut, presste sich aber sofort die Hand auf den Mund. »Du hast Jans Notizbuch eingesteckt«, flüsterte sie und setzte sich neben Flavio auf die Bettkante.
    Neugierig drehte Flavio es in seinen Händen, bevor er es vorsichtig aufschlug. Nele wagte kaum zu atmen, als Flavio anfing, in dem Notizheft zu blättern. Auf den ersten Blick schien es nichts als zusammenhanglose Skizzen zu enthalten sowie ein paar Zahlen.
    »Weißt du, was das bedeutet?« Flavio blickte verwirrt zwischen den Zeichnungen und Nele hin und her.
    »Ich habe keine Ahnung«, murmelte Nele und fuhr mit ihrem Finger über die feinen Linien. Ratlos schlug sie die nächste Seite auf, da rutschte etwas aus dem Büchlein heraus und flatterte zu Boden. Schnell bückte sie sich und hob das Stück Papier auf. Sie faltete es auseinander und strich es auf ihrem Schoß glatt.
    »Aber das ist doch …« Flavio kniff die Augen zusammen. »Das ist das Altarbild aus der Klosterkirche!«
    Aufgeregt betrachtete Nele ihren Fund. Flavio hatte recht. Auf ihren Beinen lag eine stark abgenutzte Fotografie des großen Altarbildes. Und darauf hatte jemand herumgemalt. Verschiedene Bereiche waren umkringelt,Personen waren mit kleinen Kreuzen markiert. Leider war das Foto viel zu klein, als dass man hätte erkennen können, um was es sich im Einzelnen handelte. Nele runzelte die Stirn und legte das Foto zur Seite, um weiter durch die Notizen ihres Vaters zu blättern. Auf einmal hielt sie inne.
    »Adhuc stat«, las sie vor. »Flavio, hier steht adhuc stat. Und daneben ist das Flammenschwert aus der Kirche in Wien abgebildet. Was hat das zu bedeuten?«
    Flavio nahm Nele das Notizbuch aus der Hand. »Da sind noch mehr Zeichnungen. Ein Kelch. Und das da? Was soll das sein? Eine Schale vielleicht? Und das hier könnte ein Vogel sein. Oder ein Engel. Auf jeden Fall etwas mit Flügeln. Aber was sollen die Linien da? Und die Zahlen?« Ratlos drehte Flavio die Zeichnungen in alle Richtungen.
    »Warte, warte!« Nele hielt Flavios Hand fest. Vor Aufregung konnte sie kaum sprechen. »Kannst du dich noch erinnern, was mein Vater zu Holzer gesagt hat? Heute Morgen, in der Bibliothek? Welche Gegenstände gestohlen wurden.«
    Flavio schluckte. Dann nickte er. »Ein goldener Kelch, eine silberne Schale und …«, sein Blick fiel auf das aufgeschlagene

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