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Holundermond

Holundermond

Titel: Holundermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Wilke
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nächsten Bus zu warten, kam nicht infrage. Die einzige Person, die sie bitten konnten, sie abzuholen, war Giovanni. Fragend sah sie Flavio an.
    Der schien dasselbe gedacht zu haben. Er seufzte, atmete tief durch und hielt Nele die Hand hin. »Gib mir doch bitte dein Handy. Ich glaube, ich muss meinen Vater anrufen.«

28
    Giovanni parkte den Wagen vor der Pension und hielt ihnen schweigend die Autotür auf. Er hatte auf der ganzen Fahrt von Wien zurück nach Mauerbach kein Wort mit ihnen geredet. Flavios Versuche einer Erklärung hatte er im Keim erstickt.
    »Du gehst sofort auf dein Zimmer!«, herrschte Giovanni seinen Sohn an, als dieser aus dem Auto kletterte. »Und du ebenfalls«, wandte er sich an Nele, noch bevor sie etwas sagen konnte.
    Nele fühlte sich so hilflos wie nie zuvor in ihrem Leben. Natürlich hatte sie nicht erwartet, dass Giovanni begeistert reagieren würde, wenn er hörte, dass Flavio den Hausarrest missachtet hatte. Genau wie Flavio war sie allerdings davon ausgegangen, dass er sich ihre Geschichte anhören würde, sobald er sich ein bisschen beruhigt hatte. Aber egal was sie oder Flavio auch hervorgebracht hatten,Giovanni hatte ihnen immer wieder das Wort abgeschnitten und sich jede weitere Unterhaltung verbeten. Neles einzige Hoffnung war Viviane. Sie konnte Giovanni vielleicht davon überzeugen, ihnen zuzuhören. Aber von Viviane fehlte jede Spur, als sie die Pension betraten.
    »Papa, bitte, hör mir zu«, versuchte Flavio es noch einmal in der offenen Haustür. »Du musst uns glauben! Jan ist in Gefahr. Und wir alle vielleicht auch, wenn es Holzer gelingt, vor uns im Kloster zu sein.« Bestürzt sah Nele die Tränen in den Augen ihres Freundes.
    Doch Giovanni blieb hart. »Geh ins Bett, Flavio. Ich will dich heute nicht mehr sehen. Morgen telefoniere ich mit deiner Großmutter. Ich werde dich zurück nach Italien schicken. Bei deiner Großmutter bist du besser aufgehoben als hier.«
    »Papa, nein, das darfst du nicht tun. Was soll denn dann aus Jan werden und was aus …« Eine schallende Ohrfeige ließ Flavio verstummen. Entsetzt schaute er von seinem Vater zu Nele, die erschrocken die Augen aufgerissen hatte. Dann stürzte er an ihr vorbei die Stufen hinauf. Erst auf dem Absatz drehte er sich noch einmal um. »Ich hasse dich!«, brüllte er zu seinem Vater hinunter.
    Aber Giovanni beachtete ihn gar nicht. »Geh nach oben, Nele«, sagte er müde. »Morgen früh kaufen wir ein Ticket und du fährst mit dem Zug zurück nach Deutschland. Ich rufe später deine Mutter an.«
    Nele schüttelte den Kopf, sie wollte etwas erwidern, aber Giovanni drehte sich ohne ein weiteres Wort um.
    »Ich glaube, wir sollten uns alle in Ruhe unterhalten.«
    Viviane stand oben an der Treppe, sie hatte einen Arm um Flavios Schultern gelegt.
    Giovanni schaute mit vor der Brust verschränkten Armen aus dem Fenster in den Garten. Er wusste noch nicht, was er von Vivianes Einmischung halten sollte. Viviane hatte Nele und den sich sträubenden Flavio an die Hand genommen und in die Küche geführt. Dort saßen die beiden jetzt am großen Tisch, während Viviane auf dem Herd einen großen Topf heißen Kakao machte.
    Giovanni schüttelte den Kopf. Es gab Situationen, da half auch ein heißer Kakao nichts mehr. Seit drei Jahren kämpfte er um die Existenz des Kartausencafés und damit um sein Überleben und das seines Sohnes. Von Anfang an war es nicht einfach gewesen, sich gegen die Behörden durchzusetzen, die jeglichen Tourismus im Zusammenhang mit dem Kloster argwöhnisch beäugten. Aber das Kloster brauchte auch das Geld, das die zusätzlichen Besucher einbrachten, und da das Café bei den Touristen sehr beliebt war, ließ man Giovanni gewähren.
    Bis Holzer plötzlich aufgetaucht war. Seitdem sich der Historiker ständig in die Arbeiten am Kloster und auch in den Betrieb seines Cafés einmischte, war es mit Giovannis Ruhe vorbei. Er hasste diesen Mann, aber er wusste auch, dass Holzer im Zweifelsfall am längeren Hebel saß und er sich wohl oder übel dessen Willen beugen musste, wollte er das Café nicht verlieren.
    Er war Flavio ja nicht einmal wirklich böse. Er selbst konnte Holzer auf den Tod nicht ausstehen, aber es war zu gefährlich, sich mit dem Historiker anzulegen. Und Flavio konnte oder wollte das einfach nicht verstehen. Warum vertraute er ihm nicht? Warum machte er nicht einfach das, was er ihm sagte? Giovanni ballte die Fäuste und schlug damit auf die Fensterbank.
    »Verdammt, Flavio,

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