Holy Shit
säubern), beim Formaldienst als »lasche Hampelmänner«, beim Waffenreinigen als »oberflächliche Ölgötzen« und beim NATO-Alarm als »Haufen lahmer Schlafmützen«, beschwerte sich niemand beim Vertrauensmann, obwohl das natürlich möglich gewesen wäre.Wir schimpften untereinander über die schimpfenden Vorgesetzten und lachten gemeinsam über die Sache. Nicht alle kamen freilich damit gleichermaßen klar. Einer trank immer mehr. Betrunken beleidigte er Unteroffiziere und Offiziere durchaus zu Recht, aber so lautstark, dass erst die Wache, schließlich die Feldjäger kamen, die er ebenfalls beschimpfte. Er wurde eingesperrt, beim nächsten Vorkommnis wieder und schließlich unehrenhaft entlassen. Grund: nicht der Alkohol, sondern die Beleidigungen und das Fluchen.
Einen originellen Weg geringen Widerstands geht der Chef in dem dänischen Film von Lars von Trier The Boss of it All (2006), der sich den Angestellten gegenüber als Stellvertreter des Chefs ausgibt, um persönlichen Anfeindungen zu entgehen und unpopuläre Entscheidungen auf den fernen Vorgesetzten schieben zu können. Dieser Trick könnte manchem Chef die Augen öffnen, was seine Untergebenen wirklich von ihm halten.
6.
»Talk dirty to me!«
Schmutzige Wörter in sauberen Laken
Wenige sprechen darüber. Manche tun es trotzdem. Die meisten geben sich peinlich berührt, wenn beispielsweise in Filmen sexuelle Leidenschaft in Tabuwortgebrauch ausbricht. (»Fuck me! Suck me!«) Innerlich läuft freilich häufiger etwas anderes ab, das man nicht vollkommen im Zaum halten kann: Man regt sich auf (»Fick mich durch!«), nicht nur moralisch (»Leck mich, Sklave!«), sondern körperlich. Irgendetwas fasst uns an, wenn ordinäre, schmutzige, verbotene Wörter verwendet werden. (»Komm, komm schon, fester, du mieser Schwanzlutscher!«) Äh, Verzeihung, aber das sollte jetzt nur ein Test sein. Haben Sie eine Wirkung verspürt?
Ab jetzt folgen fast nur noch anständige Wörter. Zumal Sie sicher denken, dass Sie »es« viel kreativer machten. Ohne Frage lassen jedenfalls Tabuwörter bei den meisten Menschen das Herz klopfen, erst recht, wenn sie im Zusammenhang mit Sex geäußert werden. Das wirkt nicht nur im eigenen Bett so, wie viele zugeben könnten, wenn sie darüber sprächen, das wirkt auch auf die Zuschauer von Filmen, ja sogar auf die Leser erotischer Literatur. Die ekstatische Ausnahmesituation Sex verträgt eben viel. Da lassen Männer wie Frauen gern – man möchte sagen: hoffentlich! – die Konvention beiseite.
Die besagt nämlich: Maul halten beim Akt. Seufzen, Stöhnen sind in Ordnung, ein »Ja, ja!« ist schon fast gewagt. Das Tabu »Sex« wirkt sich sprachlich extrem deutlich aus. Versuchen Sie doch nur mal, die beteiligten Körperteile zu benennen! Da gibt es die anatomisch-medizinischen Termini (Vulva, Klitoris, Penis, Testes, Mammae), die Kinderausdrücke (Mumu, Pimmel, Busen), die ordinären (Fotze, Schwanz, Eier, Titten), schließlich die poetischen Umschreibungen (Liebesgrotte, Herr Hartmann, Rehzwillinge). Im Alltag wirken sie alle ein wenig seltsam, fehl am Platze, kurios, vor allem die ordinären.
Auf sie kommt es beim Dirty Talk nicht allein an, aber sie schockieren am meisten. Geradezu verrückt scheint erst einmalzu sein, wie unflätige Beleidigungen, böseste Beschimpfungen, wilde Flüche, die man im Alltag nie, schon gar nicht vom Liebespartner hören wollte, plötzlich wie höchst erwünschte Komplimente klingen und einen in Fahrt bringen (schon wieder ein verhüllender Ausdruck). Die Ekstase beim Sex spiegelt sich in einer Sprache wider, die ebenfalls außer sich scheint. Die verbotenen Wörter erlauben, weitere verbotene Zonen zu erforschen.
Natürlich kann so etwas auch schnell ins Komische oder Missverständliche oder Peinliche kippen. Wir haben ja nicht gelernt, so miteinander zu sprechen. Und Einleitungen in der Art, »Entschuldige, jetzt sag ich etwas Unanständiges!« oder »Du, jetzt kommt ein wenig Dirty Talk, aber das ist nicht so gemeint!« führen im besten Fall zu Gelächter. Was also tun?
Wie so oft gibt es auch im Bereich Dirty Talk eine Menge Ratgeber, die Hilfsmittel sein können, um dem stummen Liebesakt eine ungewohnte, freiere Note zu verleihen. Zumindest können diese bisweilen amüsanten und manchmal kuriosen Vorschläge dazu anregen, sich darüber auszutauschen, was einen anmacht. Regeln, wie oft behauptet, gibt es gleichwohl nicht. Was die einen als schmutzig hoch drei (»Spargelstecher«,
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