Holzhammer 02 - Teufelshorn
und dann woaß es a jeder.»
Normalerweise sprach Matthias mit Christine perfektes Hochdeutsch. Daran, dass er jetzt in Dialekt fiel, merkte sie, wie aufgebracht er war. «Du darfst dir nicht die Schuld geben, das ist doch Unsinn», sagte sie. «Auf diese Weise wird die Sache nur früher aufgeklärt. Die Kontobewegungen wären früher oder später sowieso untersucht worden. Jetzt ist noch genug Zeit bis zur Gemeindewahl, um das aus der Welt zu schaffen. So gesehen hast du Hias möglicherweise sogar einen Gefallen getan.»
Matthias sah sie erstaunt an: «Ich woass ja, des du a guade Psychologin bist. Auch wenn I glaub, dass da irgendwo a logischer Fehler ist. Aber auf jeden Fall dank i dir, du bist lieb.» Er ging die zwei Schritte auf sie zu und umarmte sie zärtlich. Seine Gesichtszüge entspannten sich etwas. Dann griff er seinen Helm und rasselte die Treppe hinunter.
Gut, dass er mit Christine gesprochen hatte. Der Lebenszustand des Zorns, in dem er sich eben noch befunden hatte, war einer verantwortlichen Fahrweise nicht dienlich. Jetzt war die buddhistische Gelassenheit wenigstens so weit wiederhergestellt, dass er sich und andere nicht gefährdete.
Wenige Minuten später parkte er vor der großen dekorativen Villa, in der normalerweise niemand eine Polizeiwache vermutet hätte, und stürmte die Stufen hinauf. Ganz verraucht war sein Zorn natürlich nicht. Irgendjemand wollte dem Hias an den Karren fahren. Und Holzhammer war ein Trottel. Matthias wusste, wo das Dienstzimmer des Hauptwachtmeisters war. Zielsicher stapfte er den Flur entlang.
Holzhammer saß an seinem Schreibtisch. Vor sich ausgebreitet hatte er die gesammelten Protokolle aus den Vernehmungen der prominenten Wanderer. Eine fleißige Halbtagssekretärin hatte die Bänder inzwischen abgetippt. Aber das alles hatte einfach keinen Wert – es führte zu nichts. Es fing schon an mit Zilinsky und seiner Amnesie. Und die Frau vom Seiler war fast genauso schweigsam, ganz ohne Amnesie. Max Saumtrager hatte nichts mitbekommen, weil er schon meilenweit voraus gewesen war. Dann Seiler, der sowieso log mit seiner Heldengeschichte. Nicht zu vergessen die trauernde Witwe, Hilde Stranek. Sie hatte angeblich hinter sich etwas gehört, aber nichts gesehen. Hias meinte ebenfalls, etwas gehört zu haben, konnte es aber nicht einordnen. Und als letztes …
In diesem Moment wurde die Tür des Dienstzimmers aufgerissen. «Servus, du Kasper, lass mi zum Hias, aber a bissl plötzlich.»
Die große dunkle Gestalt in der Tür wirkte fast bedrohlich. Matthias füllte den Rahmen ziemlich komplett aus, dazu noch die schwarze Ledermontur und der finstere Gesichtsausdruck. Natürlich hatte Holzhammer keine Angst vor ihm. Aber er hatte Matthias seit über zehn Jahren nicht mehr so wütend gesehen. So lange war es her, dass Matthias zum Buddhismus gefunden hatte. Davor war er manchmal sogar in Prügeleien verwickelt gewesen. Holzhammer beschloss, jetzt keine Diskussion anzufangen. Er hatte am Telefon sowieso schon alles gesagt. So stand er einfach schweigend auf und ging auf die Tür zu, die der Größere sofort freigab. Er führte Matthias zu der Arrestzelle, in der der Bürgermeister von Schönau am Königssee saß, brachte noch einen Stuhl und ließ die beiden allein.
Holzhammer ging wieder zurück in seine schlichte Amtsstube zu den nichtssagenden Protokollen. Zurzeit lief einfach alles in eine falsche Richtung. Aber vielleicht war das die ausgleichende Gerechtigkeit dafür, dass er eigentlich auf einer Insel der Seligen Dienst tat. Denn schließlich hielt sich die Kriminalität hier im Landkreis doch sehr in Grenzen. Das sah man schon daran, dass der Berchtesgadener Anzeiger manchmal Berichte über Straftaten druckte, deren finanzieller Schaden im einstelligen Bereich lag. Wenn zum Beispiel eine Ladendiebin im Müllermarkt einen Lippenstift mitgehen ließ.
Manchmal bat die Polizei – also er – sogar per Zeitung um Mithilfe bei solchen Bagatelldelikten. Neulich etwa waren einer gehbehinderten Frau die Leki-Stöcke geklaut worden, die sie vor dem Supermarkt abgestellt hatte. Zweifellos ein gemeines, hinterhältiges Verbrechen. Deshalb hatte «die Polizei um Mithilfe bei der Suche nach dem Verbleib der Stöcke» gebeten – und zwar erfolgreich.
Wenn es nach Hauptwachtmeister Franz Holzhammer ging, konnten die Mörder ruhig bei den Preußen bleiben. Aber wenn sich doch einmal einer hierher verirrte – oder wenn ein Einheimischer zum Mörder wurde –, dann
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