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Holzhammer 02 - Teufelshorn

Holzhammer 02 - Teufelshorn

Titel: Holzhammer 02 - Teufelshorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fredrika Gers
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Bergwacht rufen. Lieber einmal zu oft Alarm schlagen als einmal zu wenig, das sagten auch die Bergwachtler immer wieder. Lieber gingen sie dreimal zu oft los als einmal zu spät. Nur wenn sie wegen offensichtlicher Lappalien gerufen wurden, konnte man den Berichten auf der Homepage der Bergwacht eine leise Kritik anmerken. Zum Beispiel wenn jemand anrief, weil sein Hund erschöpft war. Oder wenn die Leute aufgrund völlig mangelhafter Ausrüstung in Not gerieten, jetzt im Herbst zum Beispiel, weil sie sich verspäteten und keine Taschenlampe dabeihatten. Die Dunkelheit kam halt unerbittlich jeden Tag ein bisschen früher.
    Matthias las den Zettel gar nicht, Hauptsache, er lag da. Er machte sich einen Espresso, zog eine warme Jacke an und ging auf den Balkon. Es war immer noch neblig, aber man konnte erkennen, dass es sich nur um eine dünne Dunstschicht handelte. Zweihundert Meter höher schien wahrscheinlich schon strahlend die Sonne. Für ihn trotzdem kein Grund, auf einen Berg zu steigen.
    Er genoss die Ruhe. Es war manchmal anstrengend mit Christine. Immer wollte sie aus allem das Beste herausholen. Das war oft mit Stress und Hektik verbunden. Dauernd sollte er irgendwas mitmachen – wandern, Rad fahren, nach Salzburg ins Museum gehen. Dabei wollte er nur hier auf dem Balkon seinen Espresso trinken, danach chanten und dann Fußball schauen. Und vielleicht eine letzte Runde mit seinem Motorrad drehen.
    Bei Christine sollte alles immer sofort passieren, und alles musste ständig verbessert werden: zum Beispiel ihre Fitness, ihr Wissen und ihre Umgebung. Zu dieser Umgebung zählte jetzt auch er. Er sollte sich gesünder ernähren, mehr Sport machen, mehr Bücher lesen. Aber er gefiel sich so, wie er war. Und falls tatsächlich Optimierungsbedarf bestand, so konnte er das auch noch im nächsten Leben in Angriff nehmen. Als Buddhist hatte man schließlich unendlich viel Zeit. Wobei er zugeben musste, dass seine Wohnung unter Christines Ägide tatsächlich schöner geworden war. Vorher hatte er seine Bücher mehr oder weniger in Häufchen auf dem Fußboden gestapelt. Jetzt standen im Wohnzimmer wandhohe Regale aus hellem Holz. Christines zweitausend Bücher gaben eine schöne Tapete ab. Sie hatte auch die alten braunen Vorhänge und das miefige Sofa entsorgt und dafür moderne Jalousien sowie eine helle Ledergarnitur angeschafft. Nur in der Küche war die Essecke in Eiche rustikal erhalten geblieben.
    Verteiler und Zündkerzen waren aus dem Wohnzimmer in die Garage verbannt worden, ihnen trauerte Matthias etwas wehmütig nach. Natürlich waren auch die Staubsauger-Autobahnen auf dem Teppich verschwunden. Der ganze Teppichboden war verschwunden und durch Parkett ersetzt, der von einer weiteren Neuerung perfekt gepflegt wurde, nämlich von einer Putzfrau. Christine hatte ihm erklärt, dass sie weder im Dreck leben noch sauber machen wollte und gern bereit war, dafür zu zahlen.
    Für Matthias war die Idee, eine fremde Person putzen zu lassen, zunächst gewöhnungsbedürftig gewesen. Er kam nicht aus Verhältnissen, in denen man eine Zugehfrau hatte. Im Gegenteil, seine Mutter hatte zeitweise selbst als Zimmermädchen in einem der umliegenden Hotels gearbeitet. Aber Komfort und Arbeitserleichterung waren Dinge, an die man sich schnell gewöhnte.
    Matthias ging wieder hinein und öffnete die Tür des kleinen Holzschreins, den sein Vater für ihn getischlert hatte. Darin befand sich sein Gohonzon, die Schriftrolle auf Altjapanisch, die nach Matthias’ Glauben die gesamte Weisheit des Universums enthielt. Natürlich war sein Vater streng katholisch gewesen. Das hatte ihn aber nicht gehindert, seinem Sohn so ein buddhistisches Kasterl zu schreinern.
    Er entzündete die beiden Kerzen links und rechts des Schreins, ließ sich davor auf dem Boden nieder und begann zu chanten. An diesem Morgen chantete er für den Weltfrieden und wieder einmal dafür, dass Christine heil vom Berg wieder herunterkam. Und für ein neues Motorrad.

[zur Inhaltsübersicht]
    9
    Christine war bereits kurz unter der Baumgrenze. Immer noch war es etwas neblig, doch der Vorhang, der die Fernsicht verhinderte, wurde jetzt heller und blauer. Und plötzlich stand sie von einem Meter zum anderen in strahlender Sonne. Das Nebelmeer lag unter ihr. Rundum ragten daraus die Berge hervor wie Fußspitzen unter einer Daunendecke.
    Auf mehreren umliegenden Gipfeln konnte sie die Gipfelkreuze erkennen. In diesem Teil der Berchtesgadener Alpen waren die meisten

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