Holzhammer 02 - Teufelshorn
pro Jahr. Der einzelne Gast blieb durchschnittlich drei Tage, das machte also über eine Million Gäste im Jahr. Viele Gäste wollten am liebsten in einem der alten Lehen wohnen, aber Holzhammer hätten da keine zehn Pferde hineingebracht, schon gar nicht im Winter, wenn sich mangelnde Isolierung und feuchte Wände ungemütlich bemerkbar machten. Er fand, dass die Gäste, die Neubauten im Lederhosenstil bevorzugten, eindeutig die schlaueren waren.
Jeder im Talkessel wusste, dass die Zukunft allein im Tourismus lag. Außer dem Bürgermeister von Bischofswiesen, der neulich allen Ernstes zum Besten gegeben hatte: «Tourismus wird überbewertet.» Auf jeden Fall war Zilinsky sicher auch einer derjenigen, für die ein «Erlebnisberg Jenner» ein Graus war. Zu schade, dass er sich so gar nicht an die Geschehnisse am Teufelshorn erinnern konnte.
Auch bei Seilers wurde vermietet. Vor dem Haus standen drei Autos mit nord- und ostdeutschen Kennzeichen. Holzhammer hielt sich nicht mit Klopfen auf, sondern drückte gleich die große alte Klinke hinunter. Ein Jagdhund kam ihm kläffend entgegen. Das passte, ein Mann wie Seiler mochte lieber Hunde als Katzen.
In der Küche fand Holzhammer die Hausfrau, Leni Seiler. Warum war sie eigentlich bei der Tour dabei gewesen? Nach dem, was er so gehört hatte, hatten sie und ihr Mann sich schon vor Jahren auseinandergelebt. Und seine zahlreichen Seitensprünge waren ihr wohl auch kaum verborgen geblieben. Beim Stranek war es die Frau, beim Seiler der Mann. Eigentlich hätten sich Holger Stranek und Leni Seiler zusammentun sollen. Genau, und Holger Stranek hätte Alois Seiler den Berg hinunterstoßen sollen. Und dann mit Leni Seiler ab nach Argentinien. Holzhammers Segen hätten sie gehabt.
«Grias di, keine Sorge, i stör di ned, ich muss deinen Mann sprechen», sagte Holzhammer.
«Der is im Woid, am Grünstein», antwortete Leni Seiler. Sie beschrieb Holzhammer, welcher Waldstreifen zum Lehen gehörte. Der Wald am Grünstein war von der Bobbahn bis zum Hammerstiel in lauter schmale Streifen aufgeteilt. Fünfundsechzig Bauern besaßen solche Anteile, die teilweise nur sechs Meter breit waren. Die Waldstücke begannen hinter den obersten Häusern und gingen hoch bis zu den ersten Felsen. An dieser seltsamen Konstruktion war auch das Vorhaben gescheitert, einen Wanderweg von der Oberschönau am Grünstein entlang bis zur Bobbahn anzulegen. Fünfundsechzig Bauern unter einen Hut zu bringen war ein Ding der Unmöglichkeit. Dabei wäre ein solcher Weg eine wirkliche Bereicherung gewesen.
Holzhammer stieg also wieder in sein Fahrzeug und fuhr Richtung Grünstein. Er kam an der Abzweigung vorbei, die zum Haus des Bürgermeisters führte, und merkte, wie froh er war, den Hias rausgepaukt zu haben. Fast schade, dass die Sache für Fischer kein Nachspiel haben würde. Aber dafür war der Hias viel zu anständig.
Der Hauptwachtmeister bog links in eine schmale, steile Stichstraße ab. Am Straßenende parkte er. Hier führten Traktorspuren in den Wald. Am Ende der Spuren musste Seiler sein Unwesen treiben. Zu hören war nichts. Holzhammer stapfte über den feuchten, batzigen Boden bergauf. Auch die Bäume über ihm waren noch feucht vom Morgennebel, und einige dicke Tropfen trafen ihn auf den nur noch spärlich bewaldeten Schädel.
Er trat auf einen Stein, um ein besonders tiefes Matschloch zu umgehen. Doch der Stein war glitschig, er rutschte ab und stand bis zum Knöchel im kalten, klebrigen Batz. So ein Mist! Er hätte den Kerl doch lieber auf die Polizeistation bestellen sollen. Ganz zu schweigen davon, was Marie zu der dreckigen Hose und den verhunzten Schuhen sagen würde. Für den formvollendeten Auftritt in Fischers Büro hatte er sich heute Morgen extra korrekt angezogen und trug statt der üblichen Turnschuhe zur Uniform die vorschriftsgemäßen Lederschuhe.
Hinter einer Bodenwelle sah Holzhammer jetzt den Traktor aufragen. Von Seiler war nichts zu hören oder zu sehen. Holzhammer kam näher. Frisch abgesägtes Unterholz lag herum. Seiler hatte wohl nur ausholzen wollen. Um größere Bäume zu fällen, fuhr man nicht allein in den Wald. Holzhammer konnte jetzt den ganzen Traktor sehen. Er stand mit den Vorderrädern talwärts, dazu auch noch seitlich talwärts geneigt, das riesige linke Hinterrad stand anscheinend auf einem Stein. Stellte man so einen Traktor ab? So schräg, mit der Einladung zum Wegrollen? Nebenerwerbslandwirte taten so etwas. Vielleicht.
Holzhammer ging
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