Home Run (German Edition)
lachend, dann nahm er seine Familie mit in die Kabine und zeigte ihnen alles. Sie waren überwältigt und bewegten sich wie Schlafwandler durch dieses Abenteuer, von dem sie seit Jahren geträumt hatten.
Die Giants lagen in der Western Division fünf Spiele hinter den Dodgers. Willie Mays war nicht mehr da; genau genommen vertrödelte er den kläglichen Rest seiner Karriere bei den Mets. Doch die Giants hatten immer noch Willie McCovey und Bobby Bonds, und ihr Record war am 14 . Juli etwas besser als der der Cubs. Ihr erster Pitcher war Ray Hiller, ein Linkshänder mit sechs Wins und sieben Losses.
Um vierzehn Uhr saßen mindestens einundvierzigtausend Fans der Cubs dicht gedrängt im Wrigley Field. Zahllose andere sahen von den Dächern hinter der Mauer des Left Field zu. Als in der zweiten Hälfte des ersten Innings Joe Castles Name aus den Lautsprechern schallte, ließ tosender Beifall das altehrwürdige Stadion erzittern und die Stimmen von Curt Gowdy und Tony Kubek untergehen.
Hillers Spezialität waren Junkballs, und seine Fastballs erreichten nur selten einmal einhundertdreißig Stundenkilometer. Er warf zwei harmlose Curveballs, und Joe widerstand der Versuchung, einfach draufloszuschlagen. Hillers dritter Pitch war eine Kombination aus Knuckle- und Curveball, der zu hoch und außerhalb der Strike Zone kam. Beim Count von 3 und 0 bekam Joe das Zeichen zum Schlagen. Hiller warf einen Slider, der nicht allzu sehr ausbrach, und Joe schwang mit aller Kraft seinen Schläger. Der Ball stieg zuerst langsam in die Höhe, wurde dann aber immer schneller. Bald gab es keinen Zweifel mehr daran, dass Joe einen Home Run geschlagen hatte, doch die Frage war: Wo würde der Ball landen? Gary Matthews, der Left Fielder, trat zwei Schritte zurück, dann blieb er stehen, drehte sich um, stemmte die Hände in die Hüften und verfolgte die Flugbahn. Der Ball prallte schließlich im vierten Stock eines Gebäudes an der Fassade ab, fast einhundertfünfzig Meter von der Home Plate entfernt. Vielleicht war Joe müde von den vielen Home Runs, oder er lernte langsam, den Moment zu genießen – egal, woran es lag, dieses Mal lief er jedenfalls erheblich langsamer als sonst um die Bases, aber nicht so langsam, dass er dadurch den Pitcher verärgerte. »Lass den Pitcher niemals dumm aussehen«, hatten ihm Red und Charlie immer wieder eingebläut, beim ersten Mal war er zehn Jahre alt gewesen.
Das Wrigley Field hatte noch nie solche Begeisterungsstürme erlebt. Die Standing Ovations hielten so lange an, bis Joe einen Schritt aus dem Dugout heraustrat, die Hand zum Helm führte und sich bei der Menge bedankte. Dann warf er seiner Mutter, die in der Owner’s Box in der zweiten Reihe saß, eine Kusshand zu.
Zehn in zehn, mit sechs Home Runs.
In der zweiten Hälfte des dritten Innings war Joe bei einem Spielstand von 1 : 1 wieder am Schlag. Beim ersten Pitch deutete er einen Bunt an, und das gesamte Infield der Giants reagierte reflexartig. Ed Goodson an der dritten Base und der Shortstop Chris Speier setzten sich schon vor dem Pitch in Bewegung, da sie mit einem Line Shot von einem erstaunlich schnellen Schläger rechneten. Dann rannten sie nach vorn. Tino Fuentes tat das Gleiche, während McCovey an der ersten Base zu trippeln begann. Nachdem Hiller geworfen hatte, richtete er sich blitzschnell auf, als hätte er Angst vor einem Bunt. Offenbar hatte man die Scouts der Giants über Joes Bunting-Fähigkeiten aufgeklärt. Erster Ball für den Pitcher. Bei seinem nächsten Fastball mied Hiller die Mitte der Plate, stattdessen pitchte er außen und hoffte das Beste. Der zweite Pitch war ebenfalls ein Fastball, der mehr als zehn Zentimeter außerhalb lag. Joe wartete und wartete, dann ging er den Ball an und schlug einen Single ins Right Field.
Elf in elf.
Vielleicht war es die Faszination mitzuerleben, wie Geschichte geschrieben wurde, vielleicht lag es auch an dem Himmel, der sich langsam aufklärte, und an der Sonne und dem Bier oder an der Begeisterung, die in einem voll besetzten Baseballstadion immer zu spüren ist, vermutlich war es aber die Kombination all dieser Faktoren – jedenfalls herrschte im Wrigley Field eine elektrisierte Stimmung. Inzwischen wurde Joe mit tosendem Applaus begrüßt, wenn er in den On-Deck-Circle trat, dann brandete erneut Beifall auf, wenn er an die Plate trat, und bei jedem Hit wurde der Jubel größer.
Er führte die Hand zum Helm und grüßte die Menge, dann löste er sich einige Schritte von der
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