Home Run (German Edition)
Spieler zu bewundern.
»Warte, bis er es mal mit einem schnellen Slider zu tun bekommt.« Seine Stimme verlor sich, als seine Gedanken abschweiften.
Ich wollte weder mit ihm streiten noch Ärger machen. Ich war einfach nur froh, mit meinem Vater über Baseball reden zu können. Kein schlechter Start? Nach sieben Spielen hatte Joe vierundzwanzig Hits in einunddreißig At Bats, mit neun Home Runs und neun gestohlenen Bases.
»Dad, ich würde dich heute Abend gerne pitchen sehen. Ich nehme den Zug und werde dir auch nicht im Weg sein. Tom kann mitkommen.«
Er runzelte die Stirn und trank noch einen Schluck.
Man könnte natürlich davon ausgehen, dass der Sohn eines professionellen Baseballspielers alle möglichen Vorteile haben würde, unter anderem Zugang zum Feld vor Spielbeginn, Fanartikel und selbstverständlich Eintrittskarten. Nicht bei Warren Tracey. Er wollte nicht, dass ich im Stadion dabei war, und beschwerte sich oft über andere Spieler, die ihre Kinder vor Beginn des Spiels durch den Dugout toben ließen. Er hielt das für höchst unprofessionell. Für ihn war das Feld heiliger Boden, und nur jene, die Spielerkleidung trugen, sollten ihn betreten dürfen. Er weigerte sich beharrlich, vor dem Spiel Interviews auf dem Feld zu geben, weil Reporter seiner Meinung nach in die Pressebox gehörten.
»Ich sehe, was ich tun kann«, meinte er schließlich, als würde er mir einen Riesengefallen tun. Meine Mom hatte mir verboten, allein mit dem Zug zu fahren, daher hatte ich Tom Sabbatini eingeladen.
»Deine Mutter wird wohl nicht zum Spiel mitkommen«, sagte er.
Das war ein heikles Thema. In jeder Spielzeit ging meine Mutter zu einigen Spielen – so wenigen wie möglich. Wir saßen dann bei den Familien der anderen Mets-Spieler. Ich kannte einige der Kinder, war jedoch nicht mit ihnen befreundet, da wir die Einzigen waren, die in White Plains lebten. Meine Mutter weigerte sich, Kontakte zu anderen Spielerfrauen zu knüpfen, und erst viele Jahre später erklärte sie mir, warum das so war. Mein Vater war ständig hinter anderen Frauen her – bei Gastspielen, bei Heimspielen, beim Spring Training, egal wann, egal wo, für Warren spielte das keine Rolle. Meine Mutter wusste das, allerdings bin ich mir nicht sicher, woher. Wie in jeder professionellen Baseballmannschaft gab es auch bei den Mets Spieler, die ihre Frauen betrogen, und Spieler, die das nicht taten. Ich kenne die Prozentzahlen nicht, und ich bezweifle, dass hierzu jemals seriöse Untersuchungen angestellt worden sind. Wer will so etwas schon wissen? Wie mir meine Mutter Jahre später erklärte, wussten sämtliche Frauen, wer von den Spielern fremdging und wer nicht, und man konnte getrost davon ausgehen, dass jede Spielerfrau über Warren Traceys Untreue Bescheid wusste. Für meine Mutter war es eine Demütigung, wenn sie mit mir und Jill zusammen im Bereich für die Familien der Spieler saß und so tat, als wären auch wir eine glückliche Familie.
Im Juli 1973 hatten meine Eltern zwölf Jahre einer schlechten Ehe ertragen. Und beide waren insgeheim dabei, diese Ehe zu beenden.
An jenem Abend nahmen Tom und ich den Zug zur Grand Central Station in New York, dann die U-Bahn zum Shea Stadium. Wir hatten tolle Plätze – zehn Reihen vom Feld entfernt, in der Nähe des Dugout der Mets. Mein Vater pitchte hervorragend und hatte sechs gute Innings, in denen er nur drei Hits abgeben musste, doch im neunten Inning verloren die Mets, obwohl sie mit zwei Runs in Führung gelegen hatten. Auf dem Weg nach Hause war die U-Bahn voll mit randalierenden Fans der Mets, von denen viele betrunken waren. Nach einem Besuch im Stadion, auf den Baseballfeldern der Little League, ja sogar in der Schule hörte ich manchmal, wie über Warren Tracey geschimpft wurde. Die New Yorker Sportfans sind mit Inbrunst bei der Sache und wissen, wovon sie reden. Und sie halten mit ihrer Meinung nicht zurück. (Ich war im Shea Stadium, als Tom Seaver ausgebuht wurde.) Immer wenn ich eine abfällige Bemerkung über meinen Vater hörte, zuckte ich zusammen und widerstand der Versuchung, genauso ausfallend zu werden. Häufig war das Gezeter jedoch gerechtfertigt.
Als ich zu Hause war, meldete ich mich bei meiner Mutter zurück und ging dann schnell ins Bett. Ich wollte nicht mehr wach sein, wenn mein Vater nach Hause kam, falls er überhaupt kam. Seine schlimmsten Alkoholexzesse hatte er in den Nächten nach einem Spiel, in dem er gepitcht hatte. Er musste erst in drei Tagen wieder
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