Home Run (German Edition)
tröstete mich das ein wenig.
Ein erbärmliches Spiel? An diesem Punkt seiner Karriere hatte er einundsechzig Spiele gewonnen und achtzig verloren War das denn nicht auch erbärmlich? Und was war mit diesem erbärmlichen Spiel gegen die Dodgers im Mai, als er im ersten Inning sechs Runs abgab und dann bei geladenen Bases und nur einem Out den Wurfhügel verließ? Was war mit dem erbärmlichen Spiel vor drei Wochen in Pittsburgh, als er bei einem Vorsprung von fünf Runs im siebten Inning zu pitchen begann und die Führung einbüßte, bevor der Reliever der Mets es geschafft hatte, sich aufzuwärmen? Ich wollte gar nicht erst damit anfangen. Seine Stats kannte ich besser als er, doch wenn ich jetzt meinen vorlauten Mund aufmachte, würde er mit Sicherheit auf mich einschlagen.
Ich schaffte es zu schweigen. Er auch, und so überlebten wir die Fahrt nach Hause. »Paul, wir gehen mal kurz in den Garten. Ich muss dir was zeigen«, sagte er, als er den Motor abstellte.
Ich sah Hilfe suchend zu meiner Mutter, doch sie beeilte sich, aus dem Wagen zu kommen.
Das Gespräch im Garten wurde schnell ungemütlich und dann handgreiflich. Als es vorbei war, schwor ich, dass ich nie wieder Baseball spielen würde, solange mein Vater am Leben war.
8
Joe kam am Montag in den frühen Morgenstunden zu Hause an. Das Licht war eingeschaltet; seine Eltern warteten auf ihn. Als er den Wagen am Randstein parkte, fiel ihm das große Plakat auf, das neben dem Briefkasten im Rasen steckte. Es war ein Papp-Trikot der Cubs mit der blauen Nummer 15 in der Mitte. Er sah sich um – vor jedem Haus in der Church Street stand das gleiche Plakat. Später sollte ihm klar werden, dass es auf jedem Rasen in Calico Rock stand, außerdem in den Schaufenstern sämtlicher Geschäfte, Büros, Banken und Cafés.
Die Familie seiner Mutter stammte aus dem Süden von Louisiana, und Joe war mit Cajun-Küche groß geworden. Sein Lieblingsgericht waren rote Bohnen und Reis mit Andouille-Wurst, und um drei Uhr an diesem Morgen verdrückte er einen ganzen Teller davon. Dann schlief er bis Mittag.
Charlie Castle war acht Jahre älter als Joe. Er war verheiratet, hatte zwei kleine Kinder und lebte in einem neuen Haus am Stadtrand. Dort versammelten sich am späten Dienstagnachmittag die Familie und zahlreiche Freunde zu Hotdogs und Eiscreme. Der eigentliche Anlass war jedoch der Besuch von Joe, den alle anfassen wollten, um sich davon zu überzeugen, dass er tatsächlich da war, und um ihm irgendwie zu zeigen, wie unglaublich stolz sie auf ihn waren. Er machte es ihnen einfach. Zu Hause, weit weg von Chicago, genau genommen weit weg von allem, schienen die letzten zwölf Tage unwirklich zu sein, und es gab Momente, in denen er genauso benommen wirkte wie seine Bewunderer. Er gab Autogramme, posierte für Fotos, küsste sogar einige Babys. Im Wohnzimmer lief das All-Star Game, doch alle waren draußen im Garten.
Jetzt hatten sie Joe für sich, doch das sollte nicht lange währen. Die Welt gierte nach ihm. Auf Joe wartete Großes, und bald schon würde er wieder im Mittelpunkt des Interesses stehen.
Ich sah mir das All-Star Game zu Hause mit meiner Mutter an. Die Sabbatinis hatten mich eingeladen, doch ich hatte ein blaues Auge und weigerte mich, aus dem Haus zu gehen. Zwischen meinen Eltern herrschte Krieg, und irgendwann war mein Vater in die Stadt geflohen, wo er zweifellos in eine Bar gehen und noch mehr Ärger machen würde. Bevor er gegangen war, hatte er sich bei mir für die Schläge entschuldigt, doch die Entschuldigung bedeutete mir nichts. Ich hasste ihn. Ich glaube, meine Mutter hasste ihn auch. Jill wollte schon lange nichts mehr mit ihm zu tun haben.
Das Spiel war in Kansas City und sollte zu einem Triumph für Willie Mays werden, den besten All-Star-Spieler aller Zeiten. In vierundzwanzig Spielen erzielte er dreiundzwanzig Hits, bei drei Home Runs, drei Triples, zwei Doubles und zahllosen großartigen Spielzügen in der Defensive. Inzwischen war er zweiundvierzig Jahre alt, saß bei den Mets auf der Bank und hatte vor, am Ende der Saison seine Karriere zu beenden.
Ich war der einzige Junge in meinem Bekanntenkreis, der Willie persönlich kannte. Es war ganz zu Beginn der Spielzeit gewesen, als die Mets ihren alljährlichen Familientag im Shea Stadium hatten. Die meisten Spielerfrauen und -kinder waren da gewesen, um sich kennenzulernen und Fotos von sich machen zu lassen. Es gab Eiscreme, Autogramme, Führungen durch das Stadion und die Kabine und
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