Home Run (German Edition)
haben Sie eigentlich Ihren Vater erpresst, um ihn zum Kommen zu bewegen?«
»Das mit der Erpressung hat nicht funktioniert. Warren ist hier, weil er es so will. Er ist ein harter Hund, und erst sein nahender Tod hat ihn milde gestimmt. Jetzt, wo er auf sein verpfuschtes Leben zurückblickt, bedauert er vieles.«
»Es ist schlimm, so zu sterben.«
»Ja, das ist es.«
Joe sieht zum Dugout an der ersten Base hinüber. »Charlie … Red«, sagt er. Seine Brüder stehen auf und verlassen den Dugout.
Warren erhebt sich, sieht zu uns her und winkt uns zu sich.
Wir treffen uns vor der Home Plate, und ich gebe Joe Castle die Hand. Er trägt eine Mütze und eine große schwarze Sonnenbrille, die sein zerstörtes Auge verdeckt. Seine Haare sind fast grau, und er hat keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem lächelnden Jungen, der vor dreißig Jahren auf den Titelseiten der Magazine abgebildet war. Aber wer sieht nach dreißig Jahren noch genauso aus wie in seiner Jugend?
Charlie und Red sind nett, möchten aber lieber Beobachter bleiben.
Auf meine Bitte hin hat Clarence eine Kamera mitgebracht, und ich erkläre den Castles, dass ich gern ein paar Fotos von dem Treffen machen möchte. »Werden sie veröffentlicht werden?«, fragt Red.
»Nur wenn Sie mir die Genehmigung dafür geben«, antworte ich. Er und Charlie sind misstrauisch, stimmen aber zu.
Zu meiner Überraschung hat Clarence noch etwas mitgebracht. Aus einer kleinen Plastiktüte, die in seiner Manteltasche war, zieht er zwei Baseballmützen heraus – Cubs und Mets. Er gibt sie Joe und Warren. »Ich dachte, es wäre eine nette Geste, euch damit zu fotografieren.«
Joe sieht seine Mütze stirnrunzelnd an, und Warren reagiert genauso. Sie zögern, als würden die Mützen zu viele Erinnerungen zurückbringen. »War nur so ein Gedanke«, sagt Clarence und macht einen Schritt zurück, als hätte er das ganze Treffen ruiniert. Dann knickt Joe den Schild seiner Mütze, nimmt die mit der Reklame eines Futtermittelgeschäfts ab und setzt die Cubs-Mütze auf. Wie alle Baseballspieler zieht und schiebt er eine Weile, bis es sich richtig anfühlt. Als Warren seine Golfmütze abnimmt, sieht man seinen Kopf, der so glatt ist wie eine Zwiebel, ohne ein einziges Haar, und für den Bruchteil einer Sekunde starren wir entsetzt auf die Folgen der Chemotherapie. Es erinnert uns daran, dass ihm nicht mehr lange bleibt.
Als die Mützen sitzen, treten wir einen Schritt zurück, und Clarence beginnt zu fotografieren. Die beiden Spieler stehen da und lächeln, Joe auf seinen Stock gestützt. Clarence hat eine Idee. Er schlägt vor, dass wir zum Right Center gehen und die Anzeigetafel mit der Aufschrift Joe Castle Field als Hintergrund verwenden. Das tun wir dann auch, und nachdem Clarence einige Dutzend Fotos von Joe und Warren aufgenommen hat, stelle ich mich zwischen meinen Vater und meinen Helden von damals, und wir lächeln alle.
Das Foto ist der letzte Eintrag in meinem Scrapbook über Joe Castle.
Plötzlich gibt es nichts mehr zu tun. Die beiden haben sich getroffen, gesagt, was zu sagen war, und sich fotografieren lassen. Wir verabschieden uns und verlassen das Feld.
Als wir zur Main Street zurückfahren, sagt Clarence, dass Fay uns gern zu einem frühen Mittagessen auf der Veranda einladen würde. Ich werfe einen Blick auf Warren, der hinten sitzt. Er schüttelt den Kopf. Ich möchte Fay und Clarence nicht beleidigen. »Danke für die Einladung, aber wir müssen los. Warrens Flug geht um sechzehn Uhr«, sage ich deshalb. Ich habe kein schlechtes Gewissen, weil ich genug von Calico Rock habe. Und als gute Gastgeber würden die Rooks sicher darauf bestehen, dass wir den gesamten Nachmittag mit Geschichtenerzählen auf der Veranda verbringen und noch mehr Fotos machen. Und erst die Lemon Gins …
»Kein Problem«, erwidert Clarence. Er parkt den Wagen, und wir verabschieden uns an der hinteren Stoßstange des Buick. Ich bedanke mich noch einmal, und er wünscht Warren alles Gute. Ich verspreche, mich zu melden, wenn es etwas Neues gibt.
Kurz hinter Calico Rock bittet mich Warren, der die ganze Zeit über kein Wort gesagt hat, rechts ranzufahren. Er legt sich auf den Rücksitz und schläft sofort ein. Die Reise und die Begegnung mit Joe haben ihn erschöpft, und jetzt kann er nicht mehr.
Er trägt immer noch die Mets-Mütze.
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Das Radarbild zeigt von Santa Fe bis weit in den Osten nach Little Rock und hinunter nach Florida schönes Wetter. Trotzdem sind beide Flüge
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