Homicide
leuchten beginnt. Um das angemessen zu unterstreichen, knallt er noch einmal die flache Hand an die Metalltür, doch auf dem Weg ins Hauptbüro ist seine Wut schon verflogen.Ein bühnenreifer Auftritt, lustvoll und ernsthaft dargeboten – ein weiterer echter Landsman –, für die verlogene Schlampe im gelben Minirock.
Pellegrini kommt aus dem Kaffeeraum und schließt die Tür.
»Was sagt deine?«
»Hat nichts gesehen«, erwidert Pellegrini, »aber dein Mädchen weiß, was passiert ist, sagt sie.«
»Und ob sie was weiß.«
»Was machst du jetzt?«
»Jetzt nehme ich deine in die Mangel.« Landsman schnorrt sich von seinem Detective eine Zigarette. »Meine lasse ich eine Weile da drin schmoren, dann gehe ich rein und fahre mit ihr Schlitten.« Pellegrini geht in den Kaffeeraum und Landsman lässt sich auf einen Schreibtischstuhl fallen. Er bläst den Zigarettenrauch aus dem Mundwinkel.
»Mist«, sagt er zu niemand Bestimmtem. »Zwei ungelöste Fälle in einer Nacht sind einfach zu viel.«
Und so setzten sie ihren wenig anmutigen nächtlichen Reigen fort. Zeugen gleiten unter dem ausgewaschenen Schein des Neonlichts aneinander vorbei, stets flankiert von einem müden Detective mit einem Kaffeebecher in der einen Hand und genügend leeren Aussageformularen in der anderen, um eine neue Serie von Halbwahrheiten aufzunehmen. Blätter werden zusammengelegt, abgezeichnet und unterschrieben. Styroporbecher werden aufgefüllt und Zigaretten ausgetauscht, bis die Detectives im Mannschaftraum wieder zusammenkommen und ihre Notizen vergleichen, um zu entscheiden, wer gelogen, wer mehr gelogen und wer am meisten gelogen hat. Eine Stunde später wird Fahlteich von Tatort und Krankenhaus zurückkehren und so viel zusammengetragen haben, um sich für die einzige ehrliche Zeugin verbürgen zu können, die an diesem Abend im Präsidium ist – eine Frau, die gerade den Parkplatz überquerte und einen der beiden Schützen beim Betreten der Wohnung sah. Sie weiß, was sie sich mit einer Aussage in einem Drogenmord eingehandelt hat, und wünscht sich schon bald, sie könnte alles wieder zurücknehmen, was sie Fahlteich am Tatort gesagt hat. Auch sie wurde unverzüglich aufs Präsidium gebracht, wobei man darauf achtete, dass sie nicht mit den Mädchen aus der Wohnung zusammentraf. Landsman und Fahlteich befragen sie, nachdem Fahlteichvom Gatehouse Drive zurückgekehrt ist. Als die beiden eine Aussage vor der Grand Jury zur Sprache bringen, beginnt die Frau heftig zu zittern.
»Das kann ich nicht«, sagt sie und bricht in Tränen aus.
»Sie haben keine andere Wahl.«
»Aber meine Kinder …«
»Wir werden dafür sorgen, dass nichts passiert.«
Landsman und Fahlteich gehen auf den Flur, um sich leise zu besprechen.
»Ihr geht der Arsch auf Grundeis«, meint Landsman.
»Kann man wohl sagen.«
»Wir müssen sie morgen früh gleich als Erstes vor die Grand Jury bringen, ehe sie einen Rückzieher macht.«
»Außerdem darf sie nicht mit den anderen zusammenkommen«, sagt Fahlteich, während er auf die Zeuginnen im Aquarium deutet. »Ich möchte nicht, dass eine von denen sie zu Gesicht bekommt.« Am Morgen werden sie für den flüchtigen Schützen einen Spitznahmen und eine grobe Beschreibung haben, gegen Ende der Woche seinen vollen Namen, seine polizeiliche Kennummer, sein Fahndungsfoto und die Adresse seiner Verwandten in North Carolina, die ihn verstecken. Eine weitere Woche später wird er zurück in Baltimore sein und wegen Mord und Verstoß gegen das Schusswaffengesetz angeklagt sein.
Der Mord an Roy Johnson ist brutal einfach und einfach brutal. Der Schütze heißt Stanley Gwynn und ist ein mondgesichtiger Achtzehnjähriger, der bei Johnson, einem New Yorker Kokaingroßhändler, als Bodyguard angestellt und als treuer und ergebener Lakai zu diesem Zweck mit einer Ingram-Mac-11-.380-Maschinenpistole ausgerüstet war. Johnson hatte die Wohnung am Gatehouse Drive aufgesucht, weil ihm Carrington Brown Geld für Kokain schuldete, und als sich Brown uneinsichtig zeigte, beendete Gwynn die Verhandlung mit einer langen Salve aus seiner Ingram, die sechs Schuss pro Sekunde ausspeien kann.
Eine impulsive und törichte Tat, wie man sie von einem Teenager erwartet. Gwynn hatte seine Absichten so deutlich durchblicken lassen, dass Carrington Brown die Zeit blieb, sich Roy Johnston zu greifen und ihn als Schutzschild zu benutzen. Und ehe Stanley Gwynn begriffenhatte, was sich vor ihm abspielte, hatte er den Mann niedergemäht, den
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