Homicide
in den gesamten Vereinigten Staaten mit Entsetzen und erhoben ein großes Gejammer darüber, dass diese Pflicht zur Rechtsbelehrung Geständnisse praktisch unmöglich mache und es kaum noch zu Verurteilungenkommen werde. Doch schon bald erwiesen sich diese Prophezeiungen als falsch, aus dem einfachen Grund, dass die Polizeioberen – und der Oberste Gerichtshof selbst – den Einfallsreichtum des kleinen Detectives unterschätzt hatten.
Auf dem Papier ist die Miranda-Entscheidung eine noble Sache, erklärt sie doch, dass die verfassungsmäßigen Rechte nicht nur für das öffentliche Forum der Gerichte gelten, sondern auch für das, was sich unbeobachtet innerhalb der Mauern eines Polizeireviers abspielt. Mit der Miranda-Entscheidung und den zugehörigen Urteilen wurde ein einheitliches Konzept für die Rechte eines Beschuldigten geschaffen und der Gewalt und krassesten Formen von Einschüchterung bei Verhören ein Ende gesetzt. Natürlich war das ein Fortschritt. Doch insofern die Miranda-Entscheidung tatsächlich »jeden Zwang in einem Verhör ausschließen« sollte, war dieser Versuch gründlich misslungen.
Zum Glück, muss man sagen. Denn nach sämtlichen Maßstäben menschlicher Kommunikation kann das Geständnis eines Verbrechens nie wirklich freiwillig erfolgen. Mit wenigen Ausnahmen ist jedes Geständnis erzwungen, provoziert und durch einen Detective beeinflusst, der die Kunst der Täuschung beherrscht. All das gehört zum Wesen des Verhörs, und wer glaubt, dass ein offenes Gespräch zwischen einem Cop und einem Verbrecher – ein Gespräch ohne jeden Lug und Trug – ein Verbrechen aufklären könnte, ist mehr als naiv. Vom moralischen Standpunkt aus mag das übliche Vorgehen bei einem Verhör verwerflich sein, dennoch ist es unerlässlich. Einem Detective, der nicht die Möglichkeit hat, Verdächtige und Zeugen zu befragen und zur Rede zu stellen, bleibt nur noch das handfeste Beweismaterial, das in vielen Fällen äußerst dürftig ist. Wenn er keine Möglichkeit hätte, auch manipulativ auf einen Verdächtigen einzuwirken, würden eine Menge Schufte einfach weiter frei herumlaufen.
Andererseits weiß jeder Verteidiger, dass kein Schuldiger einen Grund hat, zu einem Polizeibeamten auch nur irgendetwas zu sagen, und jeder Verdächtige, der einen Anwalt verlangt, erhält auch einen, womit das Verhör zu Ende ist. So kann man eine Gerichtsentscheidung, die von demselben Detective, der mit großer Mühe einen Verdächtigen zu überlisten versucht, verlangt, jederzeit auf Verlangen das Verhör umgehend einzustellen, nur als institutionelle Schizophrenie bezeichnen.Die Verlesung der Miranda-Rechte ist also ungefähr das Gleiche, wie wenn ein Ringrichter vor der Schlägerei in einer Kneipe ernsthaft alle ermahnt, nicht unterhalb der Gürtellinie zuzuschlagen und keine faulen Tricks anzuwenden. Auf das Hauen und Stechen, das dann folgt, hat das keinen Einfluss.
Aber es kann auch gar nicht anders sein. Es wäre ein Leichtes für unsere Rechtsprechung, dafür zu sorgen, dass kein mutmaßlicher Verbrecher in einem Polizeirevier auf seine Rechte verzichtet: Der Oberste Gerichtshof könnte einfach die Anwesenheit eines Anwalts in jedem Stadium vorschreiben. Aber eine solche flächendeckende Garantie der persönlichen Rechte würde dem Verhör als Werkzeug der Strafverfolgung die Zähne ziehen. Es blieben noch mehr Verbrechen unaufgeklärt, noch mehr Schuldige kämen ungestraft davon. Stattdessen hat man einfach ein paar Abstriche am Ideal gemacht, und zwar auf Kosten der Integrität des ermittelnden Polizisten.
So gelingt es den Juristen, den Meistern des Kompromisses unserer Zeit, die diesen Handel geschlossen haben, vor Gericht, wo Rechte und Verfahrensregeln aufs Peinlichste beachtet werden, ihre weiße Weste zu wahren. Es bleibt dem Detective überlassen, dem Tatverdächtigen einen Warnschuss vor den Bug zu geben, ihm Rechte zu gewähren und ihn anschließend dazu zu bringen, sie über Bord zu werfen. In diesem Sinne sind die Miranda-Rechte kaum mehr als ein Symbol, Balsam für ein kollektives Gewissen, das unfähig ist, seine Freiheitsideale und das, was in einem Verhörraum der Polizei notwendigerweise geschieht, in Einklang zu bringen. Unsere Richter, unsere Gerichte, unsere Gesellschaft insgesamt, sie alle verlangen in einem Atemzug die Wahrung von Grundrechten und die Bestrafung der Verbrechen. Und wir alle neigen nicht nur dazu, sondern sind entschlossen, die Illusion aufrechtzuerhalten, dass beides in
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