Homicide
und ein guter Detective wird den Tränen nah sein, wenn er Ihre Schulter berührt und Ihnen sagt, er sei sich sicher, dass Sie sie geliebt hätten, sonst wäre es jetzt nicht so schwer für Sie, darüber zu sprechen. Prügeln Sie Ihr Kind zu Tode, und ein Detective wird Ihnen im Verhörraum den Arm um die Schultern legen, Ihnen erzählen, dass er selbst seine Kinder schlägt und Sie nicht schuld seien, wenn Ihnen Ihr Kind weggestorben sei. Erschießen Sie einen Freund beim Poker, und derselbe Detective wird Ihnen etwas vorlügen, wird Ihnen sagen, dass er im Krankenhaus liege und sein Zustand stabil sei; der Mann werde wahrscheinlich keine Anzeige erstatten, und selbstwenn, dann nur wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Ermorden Sie jemanden gemeinsam mit einem Komplizen, und der Detective wird Ihren Kumpel an der offenen Tür des Verhörraums vorbeigehen lassen und Ihnen dann sagen, dass Ihr Freund heute nach Hause gehen kann, weil er erklärt hat, dass Sie der Todesschütze sind. Und wenn eben dieser Detective Sie so richtig reinlegen will, sagt er vielleicht noch, dass er Ihre Fingerabdrücke von der Waffe hat, oder es zwei Augenzeugen gibt, die Sie auf einem Foto in der Verbrecherkartei erkannt haben, oder dass das Opfer Sie kurz vor seinem Tod als Täter genannt hat.
All das ist zulässig. Begründete Irreführung, nennen die Gerichte das. Was könnte schließlich begründeter sein, als einen Menschen zu täuschen, der jemanden umgebracht hat und es abstreitet?
Manchmal allerdings geht ein Detective dabei zu weit, zumindest scheint es einem so, wenn man mit diesem Vorgehen nicht vertraut ist. Vor nicht allzu langer Zeit wurden erfahrene Detectives eines Morddezernats in Detroit öffentlich gerügt und erhielten eine Disziplinarstrafe, weil sie den Bürokopierer als Lügendetektor ausgegeben hatten. Die Detectives hatten sich gelegentlich, wenn ihnen eine Aussage zweifelhaft erschien, in den Kopierraum begeben und drei Blätter in den Papierbehälter gelegt.
»Wahr« stand auf dem ersten.
»Wahr« auf dem zweiten.
»Gelogen« auf dem dritten.
Dann wurde der Verdächtige in den Raum geführt und musste die Hand an die Seitenwand der Maschine legen. Die Detectives fragten den Mann nach seinem Namen, warteten die Antwort ab und drückten dann auf den Startknopf.
Wahr.
Und wo wohnen Sie?
Wieder wahr.
Und haben Sie Tater umgebracht, ihn beim 1200er-Block der North Durham Street niedergeschossen wie einen Hund?
Gelogen. So, so. Schaut euch den dreckigen Lügner an.
Als die Detectives des Morddezernats von Baltimore in der Zeitung lasen, wie man sich in Detroit darüber aufregte, fragten sie sich, was überhaupt das Problem dabei sei. Das war doch ein alter Hut, ein Kopiererals Lügendetektor, der im Kopierraum im fünften Stock schon mehr als einmal zum Einsatz gekommen war. Gene Constatine, schon viele Jahre bei Stantons Truppe, hatte einem Dumpfschädel einmal den Koordinationstest für alkoholisierte Fahrer machen lassen (»Folgen Sie mit den Augen meinem Finger, bewegen Sie dabei aber nicht den Kopf … Jetzt stellen Sie sich auf ein Bein«) und dann verkündet, der Mann lüge offensichtlich.
»Durchgefallen«, sagte er zu ihm. »Sie lügen.«
Der Verdächtige glaubte ihm und gestand.
Varianten dieser Methode sind nur durch die Fantasie des Detective und seine Fähigkeit, den Schwindel durchzuziehen, Grenzen gesetzt. Jeder Bluff ist auch mit einem gewissen Risiko verbunden, und ein Detective, der seinem Verdächtigen erzählt, am Tatort seien überall seine Fingerabdrücke gefunden worden, ist hoffnungslos verloren, wenn der Mann sich sicher ist, Handschuhe getragen zu haben. So ein Täuschungsmanöver ist immer nur so gut wie das Material, aus dem es aufgebaut ist – oder so gut, wie der Verdächtige blöd ist. Ein Detective, der seine Beute unterschätzt oder sein Wissen über das Verbrechen überschätzt, verliert die alles entscheidende Glaubwürdigkeit. Sobald er etwas behauptet, von dem der Verdächtige weiß, dass es nicht stimmt, ist der Schleier gelüftet und der Ermittler als Lügner entlarvt.
Erst wenn der Detective sein ganzes Repertoir ausgeschöpft hat, greift er zum Wutausbruch. Vielleicht ist es ein Anfall, der auf ein oder zwei Sätze beschränkt ist, es kann aber auch ein ausgiebiger Koller sein, bei dem er eine Metalltür zuschlägt oder einen Stuhl umschmeißt, womöglich sogar eine Schimpftirade als Teil einer Guter-Bulle-böser-Bulle-Darbietung, die sich allerdings im Lauf
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