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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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mögen Sie, nicht wahr? Das ist eine nette Sache, nicht wahr, und solange die Kleinen den Mund halten, ist das kein Problem für Sie …«
    Pellegrini sieht seinen Verdächtigen an und stutzt. Der Fish Man nickt. Offenbar will er Foster zustimmen.
    »Aber es gibt eine Regel, nicht wahr? Eine eiserne Regel, eine Regel, die eingehalten werden muss, und wir beide wissen, wie sie lautet, nicht wahr?«
    Der Fish Man nickt noch einmal.
    »Wenn du weinst, bist du tot«, sagt Foster. »Wenn du weinst, bist du tot.«
    Der Fish Man schweigt.
    »Das ist doch Ihre Regel, nicht? Wenn sie schreien, müssen sie sterben. Sie mögen die Mädchen, und es gefällt Ihnen, wenn sie nett zu Ihnen sind. Aber wenn sie weinen, müssen sie sterben. So ist es mit Latonya gewesen, und so war es mit der Kleinen auf dem Foto hier.« Foster zeigt auf die alte Aufnahme. »Sie musste sterben, weil sie geweint hat.«
    Pellegrini kommt es wie eine Ewigkeit vor, bis sich der Verdächtigewieder in der Gewalt hat, bis er sein Nicken einstellt und reagiert. Als er dann aber eine Antwort gibt, ist sie eindeutig und fest.
    »Nein«, sagt er. »Ich habe Latonya nichts angetan.«
    Beim Klang des kalten Stahls in dieser Stimme muss Pellegrini es sich eingestehen: Es ist vorbei. Er ist ihnen entwischt. Sicher, sie sind nahe dran gewesen. Fosters Technik, seine Begabung und seine Tricks, sie haben gewirkt, und ihr Plan war gut durchdacht und ist sorgfältig ausgeführt worden. Doch letztlich zählt, was in der Akte steht. Es gibt, das weiß Pellegrini jetzt, keine Wunderwaffe und kein unbekanntes Wissen, das er sich noch erwerben muss. Die Wahrheit – das sind Beweise, schlicht und einfach.
    Vor Beginn der Vernehmung hatte Foster Tim Doory dazu bewegen wollen, den Mann auf Grundlage des Laborberichts wegen Mord anzuklagen. Mit einer bereits gegen ihn erhobenen Klage würde der Fish Man eher gestehen. Ja, vielleicht, aber was war, wenn er kein Geständnis ablegte? Was sollten sie dann mit der Klage machen? Sie vor Erstellung der Anklageschrift wieder aufheben? Oder sie aussetzen? Das hier war eine Sache, die von der Öffentlichkeit genau verfolgt wurde, kein Staatsanwalt wollte solch einen Fall verlieren. Nein, hatte Doory erklärt, wir erheben erst Anklage, wenn wir ihn überführt haben. Foster akzeptierte die Entscheidung, doch Pellegrini und Landsman wurde ein bisschen flau. Es war der erste Hinweis, dass Foster auch nur mit Wasser kochte. Jetzt läuft Doory mit Landsman vor dem Konferenzraum den Flur rauf und runter und schaut immer wieder auf seine Uhr. Über sechs Stunden.
    »He!, Jay«, sagt der Staatsanwalt. »Wir haben schon mehr als sechs Stunden. Eine warte ich noch. Danach wüsste ich nicht mehr, was uns ein Geständnis noch nutzen sollte, selbst wenn er dann einknickt.«
    Landsman nickt. Dann stellt er sich vor den Konferenzraum, um auf die Stimmen zu lauschen. Die langen Gesprächspausen sagen ihm, dass es nicht mehr sonderlich gut läuft.
    Nach sieben Stunden ununterbrochener Vernehmung setzen Pellegrini und Foster eine zwanzigminütige Pause an, um eine Zigarette zu rauchen. Doory nimmt seinen Mantel und geht mit Pellegrini zum Fahrstuhl. Wenn sich noch was ergebe, könne er ihn ja zu Hause anrufen, erklärt er dem Detective.
    Landsman und der Mann vom Labor in Rockeville haben inzwischen im Konferenzraum den Platz ihrer Kollegen eingenommen und geben sich alle Mühe, an die bisherige Vernehmung anzuknüpfen.
    »Ich will Sie mal etwas fragen«, sagt Landsman zu dem Fish Man.
    »Was denn?«
    »Glauben Sie an Gott?«
    »Ob ich an Gott glaube?«, fragt der Fish Man.
    »Ja. Ich meine nicht Ihre Religion. Aber glauben sie, dass es Gott gibt?«
    »O ja. Daran glaube ich.«
    »Aha«, sagt Landsman. »Ich auch.«
    Der Fish Man nickt.
    »Und was, glauben Sie, würde Gott mit dem Mann tun, der Latonya umgebracht hat?«
    Landmans Schuss ins Blaue, aber der Fish Man hat sich inzwischen auf die Befragung eingestellt, und dafür ist Landsmans Masche zu fadenscheinig.
    »Keine Ahnung«, sagt er.
    »Was meinen Sie, denkt der Schuldige, dass Gott ihn für sein Verbrechen an dem Mädchen bestraft?«
    »Keine Ahnung«, wiederholt der Fish Man kalt. »Da müssen sie ihn fragen.«
    Als Pellegrini und Foster in den Konferenzraum zurückkehren, verschießt Landsman immer noch aufs Geratewohl Salven. Doch die Spannung, die sich in den sechs Stunden aufgebaut hat, ist erloschen. Pellegrini ist sauer, als er Landsman mit einer brennenden Zigarette in der Hand vorfindet,

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