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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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Hand«, sagt der Cop in der Lederjacke.
    »Hab’ mich am Zaun geschnitten.«
    Gute zehn Sekunden starrt er auf deine Hand, dann schaut er auf das Blut auf deinem Mantelärmel.
    »Den Teufel haben Sie.«
    »Aber es stimmt.«
    »An einem Zaun?«
    »Ja.«
    »Wo?«
    Du sagst es ihm. Wichser, denkst du, der glaubt tatsächlich, ich hätte nicht genügend Grips, mir das mit dem Zaun zu überlegen.
    »Aha«, sagt er und sieht dich an. »Dann wollen wir uns das mal ansehen. Fahren wir hin.«
    Ansehen? Was?
    »Sie bluten wie ein abgestochenes Schwein«, sagt er. »Da kann man nur hoffen, dass an dem Zaun Blut ist.«
    Blut am Zaun? An das hast du nicht gedacht, und er weiß, dass du nicht dran gedacht hast.
    »Nein«, hörst du dich sagen »Warten Sie.«
    Ja, er wartet. Da steht er, in der Notaufnahme vom Sinai, und hört zu, wie deine kleine Welt auseinanderbricht. Jetzt nennt er dich ein verlogenes Schwein, sagt dir, es dauert nur ein paar Stunden, bis sie das Blut auf der Treppe mit dem Blut an deinem Verband verglichen haben. Daran hast du ebenfalls nicht gedacht, stimmt’s?
    »Gut, ich war da«, sagst du. »Aber ich habe sie nicht umgelegt.«
    »Ach ja? Wer dann?«
    »Ein Jamaikaner.«
    »Wie heißt er?
    Rasch, denk nach, Alter. Denk gut nach. »Weiß nicht, wie er heißt. Er hat mit dem Messer auf mich eingestochen. Und gesagt, er bringt mich auch um, wenn ich ihn auffliegen lasse.«
    »Hat er das? Wann?«
    »Als er mich ins Krankenhaus gefahren hat.«
    »Wie? Er hat Sie hierher gefahren?«, fragt er. »Die anderen sticht er ab, und Sie kriegen von ihm eine kleine Schramme und eine Fahrt ins Krankenhaus?«
    »Ja, zuerst bin ich weggerannt, aber …«
    Er wendet sich ab, fragt den Arzt ob du entlassen werden kannst. Dann blickt er wieder zu dir und grinst komisch. Wenn du ihn kennen würdest, wenn du ein bisschen Ahnung hättest, dann wüsstest du, dass er sich jetzt schon über dich lustig macht. Dass er dich für einen dämlichen kleinen Scheißkerl von einem Mörder hält und dich zu den ungefähr hundert anderen steckt, die sich in diesem Jahr angesammelt haben. Dass die beiden Fullards, die blutrot und starr im Morgenlicht inihren Zimmern liegen, schon zu schwarzen Namen in Jay Landsmans Spalte auf der Tafel geworden sind.
    Du fährst in einem vergitterten Wagen zum Präsidium, und dabei denkst du dauernd an deine Geschichte. Irgendwie, denkst du, kommst du da noch raus. Du denkst – wenn man es denken nennen kann –, du kannst ihnen die Geschichte von einem geheimnisvollen Jake vorsetzen, der dich in die Hand gestochen und ins Sinai gefahren hat.
    »Erzählen Sie mir von dem Jamaikaner«, sagt der ältere Detective, nachdem sie dich in einen der Verschläge bugsiert haben. »Wie heißt er?«
    Er sitzt dir am Tisch gegenüber und starrt dich mit seinen blauen Augen an wie ein Walross.
    »Ich kenne nur seinen Spitznamen.«
    »Ach. Und der wäre?«
    Du sagst es ihm. Du gibst ihm den Spitznamen von einem echten Jake, von einem aus einer Gang, ein Typ Ende zwanzig, der ungefähr einen Block von den Fullards entfernt wohnt, wie du weißt. Ja, gute Story, Alter. Gerade so viel, dass es sich wahr anhört, aber nicht genug, dass sie was damit anfangen können.
    »He!, Tom«, sagt der weißhaarige Detective. Er meint den jüngeren Cop, der auch im Verschlag sitzt. »Komm mal kurz mit raus.«
    Du siehst ihre Schatten hinter dem Einwegfenster vom Vernehmungsraum, siehst, wie sie draußen im Flur reden. Das alte Walross geht weg, aber der Jüngere, der Italiener, kommt wieder rein und hat Papier und Stift dabei.
    »Ich werde jetzt Ihre Aussage aufnehmen«, sagt er. »Aber zuerst möchte ich Sie über Ihre Rechte informieren …«
    Der Cop hat die Ruhe weg, er redet langsam, er schreibt und lässt dir Zeit, damit du die Geschichte richtig hinkriegst. Du warst bei den Fullards, sagst du, und ihr habt euch was reingezogen, erzählst du ihm. Dann haben sie den Jamaikaner eingeladen, und ein bisschen später gab es Streit. Der Jamaikaner ist in die Küche gegangen, ohne dass ihr es gesehen habt, und als er wiederkam, hatte er das Messer. Du hast gesehen, wie er Ronnie abgestochen hat, und dann noch Ronnies Bruder. Als du ihm das Messer wegnehmen wolltest, hast du den Schnitt kassiert, und da bist du verduftet. Wolltest nach Hause. Später hat er dichauf der Straße mit seinem Auto abgefangen und gesagt, er fährt dich ins Krankenhaus. Den Ärger, hat er gesagt, den hätte er nur mit den anderen. Dich lässt er in Ruhe, wenn du

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