Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)
linken Unterarm trug, projizierte ihm die aktuelle Uhrzeit auf die Hand. Seit er den Raum betreten hatte, waren noch keine fünf Minuten vergangen. Jetzt kam es auf die Fragen an. Keine Frage war schlecht, eine Frage eine Chance, mehrere Fragen wären der Durchbruch.
„… haben Sicherheitsvorkehrungen genannt. Haben Sie ein eingängiges Beispiel?“ Fast hätte er die Frage überhört. Eine leise männliche Stimme aus der Mitte des Raumes hatte sie formuliert. Er antwortete ohne lange zu überlegen.
„Die individuellen Daten eines Menschen sind in drei Datenbanken gespeichert: im PID-Chip, in der jeweiligen nationalen Datenbank und in der globalen, zentralen Datenbank. Die zentrale Datenbank befindet sich in der Schweiz, in einer alten Bunkeranlage im Gotthardmassiv, sie steht unter der Verwaltung der UN.
Jede dieser drei Datenbanken hat ihre eigene Sicherheitslösung. Die Daten werden regelmäßig abgeglichen. Will jemand illegal Daten einer einzelnen Person löschen oder modifizieren, müsste er dies auf allen drei Datenbanken gleichzeitig tun. Wenn in einem Cyberwar die Daten der Bürger eines Staates wirkungsvoll gelöscht werden sollen, um damit die Verwaltung lahmzulegen, müsste man dies zugleich auf allen drei Systemen tun. Das heißt, auf jedem einzelnen PID, in der nationalen und der zentralen Datenbank – und selbst dann würden noch zahlreiche Datensicherungen existieren.“
Er schwieg und horchte in den Raum hinein. Wie war seine Antwort angekommen?
„Wie beurteilen Sie das Risiko, dass das myCom-System bei einer militärischen Auseinandersetzung Ziel einer Cyberattacke wird?“
Er schaute automatisch auf sein myCom und rief sich die wichtigsten Fakten dazu in Erinnerung: Das Internet war durch das Globalnet abgelöst worden, eine hundertfach stärkere Kommunikationsplattform. Zeitgleich mit dem Globalnet und dem PID-Chip kamen die ersten myComs auf den Markt. Die Kopplung von PID-Chip und myCom stellte sicher, dass jeder Mensch jederzeit erreichbar und rund um die Uhr online war – und damit lückenlos überwachbar.
Das myCom war ein hochleistungsfähiger Computer aus biosynthetischem Material, das wie ein großflächiges Pflaster auf der nackten Haut getragen wurde, meist auf dem linken oder rechten Unterarm. Die Energieversorgung erfolgte mittels Körperwärme und war damit unabhängig von jeder externen Energiequelle. Eine Datenbrille – oder bei neueren Modellen eine Kontaktlinse – war das mobile Userinterface und diente außerdem als Seh- und Hörhilfe, falls das benötigt wurde.
Worauf wollte der Fragesteller hinaus? Auf diese Frage hatte ihn sein Kontakt nicht vorbereitet.
„Es ist ein Ziel jeder militärischen Operation, die Kommunikation des Gegners zu zerstören oder zumindest zu stören. Somit stellen auch das myCom und die damit verbundenen Systeme ein effektives Ziel für eine Cyberattacke dar. In militärischen Planspielen wird dieses Szenario oft geprobt. Dieses Jahr führt die UN weltweit ein Schulungsprogramm für Kinder aller Schulstufen ein, in dem das Verhalten bei einem vollständigen Ausfall des myComs trainiert wird. Simulationen zeigen, dass Menschen, denen das myCom weggenommen wird, absolut hilflos sind und zu depressivem bis aggressivem Verhalten neigen.
Das myCom ist demnach ein lohnenswertes Ziel. Persönlich schätze ich jedoch das Risiko gering ein, dass die myComs das Ziel einer Cyberattacke werden.“
War das die richtige Antwort? Immerhin, zwei Fragen hatte er schon. Je mehr Fragen, desto größer die Chance sich zu behaupten. Aber auch ein zunehmendes Risiko etwas zu sagen, was einem der Zuhörer nicht passte.
„Wie beurteilen Sie die Entwicklungen in der Gentechnologie?“
Einen Moment lang war ihm die Irritation sicher anzusehen. Was sollte er dazu sagen? Das Thema war heiß diskutiert in den letzten Dekaden. Es ging um Moral und Ethik, das Thema war emotional und spaltete die Gesellschaft. Er schwitzte. Er durfte nicht zu lange schweigen. Er leckte sich über die Lippen und spielte mit dem Gedanken, nach dem Wasserglas zu greifen. Das würden sie ihm garantiert negativ auslegen – etwas trinken, um Zeit zu gewinnen, um das Antworten herauszuzögern.
„Beruflich habe ich mit dem Thema nicht zu tun, ich weiß, dass innerhalb des britischen Geheimdienstes eine Gruppe dazu arbeitet. Meine Antwort basiert deshalb ausschließlich auf meinem persönlichen Wissensstand und meiner persönlichen Meinung, dies vorab.
Heute wird die
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