Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)
Tage druckt niemand mehr etwas aus, weil es nichts gibt, was man drucken könnte, die Daten sind ja alle weg. Aber vor einer Woche war das anders, und ein gewisses Schlitzohr wusste, dass es die letzte Möglichkeit war, diese Transaktion, die unter Garantie nie stattgefunden hat, zu dokumentieren. Es ist sogar für einen Laien einfach, eine entsprechende Bildschirmanzeige zu fälschen. Dazu muss man kein Genie sein. Und wenn einer noch alte Hardware wie einen Drucker hat, dann Tobias.“
Die Haustür sah überaus solide aus, Brian drückte den Klingelknopf. Mary war wirklich nicht mehr besonders gut zu Fuß, sie stützte sich schwer auf einen Teleskopstock. Im Auto hatte er den Stock gar nicht bemerkt.
Die Tür ging auf, vor ihnen stand ein kräftiger, durchtrainierter Mann um die dreißig Jahre. Er lächelte und bot Mary sofort seinen Arm an.
„Guten Tag, Herr Fletcher und Frau …?“
„Taydon, Mary Taydon.“ Sie nahm dankbar den Arm des jungen Mannes und hielt sich so aufrecht, wie es ging. Brian musterte kurz sein Gegenüber. Der Mann trug kein myCom – zu einem anderen Zeitpunkt wäre das ungewöhnlich gewesen, jetzt war es Normalität, wenn man zurzeit überhaupt von Normalität sprechen konnte.
„Herr Feist erwartet Sie schon.“ Der junge Mann merkte wohl Brians erstaunten Blick und ergänzte: „Herr Feist hat mir ein Bild von Ihnen gezeigt und Sie angekündigt, Herr Fletcher.“
Brian sagte dazu nichts, er betrat nach dem Mann und Mary das Haus. Zunächst kamen sie in einen kleinen, dunklen Flur, als sie jedoch aus dem Flur in den Hauptraum des Hauses traten, traute Brian seinen Augen nicht.
Der Raum maß etwa sieben mal zwölf Meter. Die Wand zum Meer hin war durchgängig verglast, die Sicht auf das Meer war atemberaubend. Nur auf der rechten Seite wurde die freie Sicht zum Horizont durch einige Gebäude gestört. Der Raum war geschmackvoll eingerichtet und blitzblank. Ein Stück von Georg Friedrich Händel lief leise; Tobias verehrte Händel seit jenem Tag in der Westminster Abbey, seit seiner Erleuchtung , wie Brian es nannte. Es roch verlockend nach Braten, und eine Lampe erhellte den Raum zusätzlich, wie Brian erst jetzt auffiel – hier funktionierte die Stromversorgung also noch.
„Hi Brian, hallo Frau Taydon, schön, dass Sie da sind.“
Brian fuhr herum, Tobias war auf einmal hinter ihm, im Rollstuhl.
„Tobias! Diesmal kann ich dir deinen Arsch nicht retten“, sagte Brian. Es rutschte ihm einfach so heraus, er war sofort wieder in seine alte Rolle gefallen. Er musterte Tobias, und was er sah, tat ihm weh. Eine magere blasse Gestalt, er sah aus wie siebzig, obwohl er noch nicht mal fünfzig war. Der langgezogene Schädel war haarlos. Die Brillengläser viel dicker, als er es in Erinnerung hatte. Die Kopfhaut schimmerte rot, ganz so, als hätte Tobias einen Sonnenbrand. Die rote Fläche war scharf abgegrenzt.
Tobias kicherte. „Oh, wie hab ich dich vermisst, Brian“, nuschelte er und sah ihn nicht direkt an. „Kommt, setzt euch, ihr bleibt ja zum Essen.“ Er wartete ihre Antwort gar nicht erst ab. „James, richtest du bitte später noch ein Zimmer für Frau Taydon her?“ Er wandte sich gleich wieder Brian und Mary zu: „James heißt eigentlich Bradley, Bradley Roberts. Aber mir gefällt James besser, ist so schön britisch. Edward wäre auch gut gewesen.“
„Du weißt, warum wir hier sind?“, fragte Brian.
„Klar. Du sollst rausfinden, wie ich es gemacht habe, wie man es rückgängig macht und was ich dafür haben will. Frau Taydon soll feststellen, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe. Eure Vorgänger waren bezüglich der W-Fragen ja nicht gerade erfolgreich, und dass ich durchgeknallt bin, ist schon seit mehreren Jahren bekannt.“
„Unsere Vorgänger?“ Brian und Mary sahen sich zweifelnd an.
„Ah ja, das hat euch niemand erzählt? Tja, die Kommunikation funktioniert ja auch nicht besonders gut dieser Tage. Dein Nachfolger, dieser Bob Bloth, war am Tag nachdem ich den Schalter umgelegt habe hier. Mit großem Aufgebot. Sie haben alles durchwühlt und ich darf seitdem nicht mehr in mein Arbeitszimmer. Vor der Tür steht eine Wache und drinnen sitzen eine Reihe Hohlköpfe und versuchen, meine Computer zu hacken.“ Tobias wirkte gereizt. „Ach, und sie haben mir gedroht und was weiß ich alles.“
„Aber ohne Erfolg“, stellte Brian fest.
„Genau, ich sagte ihnen, dass ich mit dir rede und sonst niemandem, und da ich bald sterbe, sollten sie sich
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