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Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)

Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)

Titel: Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Karer
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versucht“, sagte Marianne.
    „Gab es irgendeine Fehlermeldung?“
    Marianne zuckte mit den Schultern. „Etwas mit overflow . An mehr kann ich mich nicht erinnern. Komm, erzähl schon, was ist dir heute alles passiert? Wie war der Flug? Du siehst schrecklich aus.“
    Harry fasste kurz die Ereignisse im Flugzeug und die Landung zusammen. Es klang, als wäre es etwa ganz Alltägliches gewesen.
    „Und dann habt ihr die Passagiere zum Terminal gebracht?“
    „Ja, ist ein verdammt langer Weg von der Piste, normalerweise fünf bis zehn Minuten Rollweg, aber zu Fuß? Wir haben etwa vierzig Minuten gebraucht und wir waren nicht die Einzigen, es war eine richtige Völkerwanderung. Die Stimmung unter den Passagieren war ziemlich aufgeheizt. Die Menschen hatten kaum Verständnis für die Situation und wir hatten keine Antworten auf ihre Fragen.“
    „Die armen Menschen, wie viele mögen es wohl sein und was machen die jetzt?“
    „Heathrow wickelt am Tag etwa 200.000 Passagiere ab. Da das Ganze am frühen Nachmittag passiert ist, schätze ich, dass so um die 60.000 bis 80.000 gestrandet sind.“ Er wechselte das Thema, er wollte seiner Frau nicht erzählen, welche hässlichen Szenen sich bereits auf dem Weg zum Terminal abgespielt hatten.
    Kurz bevor sie das Terminal erreichten, hatte er Ray Adams die Passagiere überlassen und deswegen jetzt noch ein schlechtes Gewissen. Die Terminals waren überfüllt gewesen. Ohne Strom lief dort nichts, das Bodenpersonal hatte längst aufgegeben. Mit der Kommunikation war auch jede Möglichkeit der Koordination zusammengebrochen, und so konnte das Personal die Passagiere weder über die Situation noch über das weitere Vorgehen informieren. Die Menschen waren immer aggressiver geworden.
    „Ich bin dann noch ins Büro, um mich zurückzumelden. Auf dem Weg dorthin und im Büro das absolute Chaos. Die, die noch da waren, standen alle hilflos rum. Als sei mit dem Ausfall der Computer auch ihr Gehirn ausgefallen. Sie wussten einfach nicht, was sie tun sollten.“
    Die Bilder, die er vor Augen hatte, erschienen ihm jetzt noch wie eine maßlose Übertreibung in einem schlechten Katastrophenfilm.
    „Ich habe also einfach unsere Flugnummer, den Standplatz der Maschine und meinen Namen an ein Whiteboard geschrieben und mich auf den Weg nach Hause gemacht. Den Wagen konnte ich nicht aus dem Parkhaus holen, dort ist ja auch alles computergesteuert. Die erste Strecke bin ich gelaufen, ab West Drayton konnte ich ein Stück mitfahren. Am Straßenrand standen verlassene Fahrzeuge, viele Auffahrunfälle, und es herrschte extrem wenig Verkehr.“ Die zahlreichen Verletzten, die am Straßenrand lagen oder saßen, verschwieg er. „Von Denham Green bin ich dann wieder zu Fuß weiter.“ Er nahm einen großen Schluck Tee.
    Marianne hatte sehr wohl bemerkt, dass Harry ihr das Schlimmste verschwiegen hatte, doch sie entschloss sich, nicht nachzufragen. Sie kannte ihren Mann. Er brauchte erst selbst Abstand und Zeit zum Verarbeiten. Er würde später schon noch mehr erzählen.
    „Wie lange werden sie brauchen, um das wieder in Ordnung zu bringen?“, fragte sie.
    „Ich weiß nicht. Aber das ist keine kleine Sache. Ich befürchte, es wird lange dauern.“
    „Länger als ein paar Tage?“
    Harry nickte. „Ich hatte bis vorhin nicht an einen Krieg, an einen Cyberwar, gedacht. Ich war noch zu beschäftigt mit allem, was heute passiert ist. Wenn allerdings tatsächlich die Computer- und Kommunikationssysteme und in letzter Konsequenz alles, was über einen Computer gesteuert wird, außer Betrieb ist …“
    „Dann wird es schlimm, richtig schlimm“, vollendete Marianne den Satz. Sie stand auf und nahm ein Bild vom Fenstersims. Es zeigte Marianne, Harry, ihre beiden Töchter Kate und Elli sowie Max Wallis, den 2013 verstorbenen Vater von Harry. „Die Kinder sollen zu uns kommen und hierbleiben, bis alles vorüber ist.“
    Harry nickte nur, er war mit seinen Gedanken bei seinem Vater. Der war bis zu seinem Tod ein begeisterter Sportschütze gewesen und hatte ihm schon früh das Tontaubenschießen beigebracht. Harry hatte es bisher nicht übers Herz gebracht, die Schrotflinten seines Vaters, die in einem Waffenschrank im Keller lagerten, zu verkaufen.
    Er hatte die Waffen seit Jahren nicht mehr in der Hand gehabt. Plötzlich wollte er genau wissen, wie viel Munition er noch dahatte.
    Harrys Vater, Max Wallis, war im August 2013 an einem Herzinfarkt gestorben, an dem Tag, an dem Tobias Feist in England

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