Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)

Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)

Titel: Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Karer
Vom Netzwerk:
Memory overflow war die letzte im internen Ereignisprotokoll. Der volle Arbeitsspeicher war auch der Grund für den Deadlock.
    Tobias stellte dem Rechner weiteren Arbeitsspeicher zur Verfügung und beobachtete, wie sich dieser innerhalb weniger Minuten füllte und wieder ein Memory overflow produziert wurde. Auf seiner Projektionsfläche studierte er den binären Code, der den Datenspeicher Bit um Bit füllte.
    Er entdeckte ein Muster, wie er es in dieser Form noch nie gesehen hatte. Mit einem Mal war er sich sicher, dass diese Entdeckung die Welt verändern würde. Sie würde eine Tür zu neuen Naturgesetzen öffnen und die Informatik revolutionieren. Als er das begriff, reagierte sein Körper. Seine Nackenhaare stellten sich auf und eine Gänsehaut zog sich über seine Oberarme.
    Er wusste nicht, wie es funktionierte, warum es funktionierte und wie man es nutzen konnte. Das Einzige, was er wusste, war, dass es existierte und lebte .

Wer kannte das nicht: Daten, die einfach spurlos verschwanden, Programme, die sich scheinbar selbst aktivierten, Computer, die sich stundenlang abmeldeten und anschließend wieder einwandfrei funktionierten.
    Für solche Dinge fand Tobias immer eine Erklärung, meist lagen die Ursachen in der Komplexität und der zunehmenden Vernetzung der Systeme – die Eigenschaften oder das Verhalten einer Komponente des Systems führten dann zu unerwarteten und unerklärlichen Auswirkungen oder Reaktionen an anderer Stelle.
    Doch Tobias’ Entdeckung war neu und anders. Er grenzte den Ursprung des Phänomens immer mehr ein und fand ihn auf einer der Festplatten des defekten Computers. Dabei verließ er sich ausschließlich auf sein Gefühl und auf seine spezielle Wahrnehmungsfähigkeit.
    Er identifizierte eine Sequenz, die lediglich dreizehn Bytes umfasste. Diese entsprach der Grundstruktur, auf die er wenige Stunden zuvor gestoßen war. Von den dreizehn Bytes waren zwölf identisch. Sie hatten alle den Binärcode 00010100. Ein einziges Byte hatte den Binärcode 11101011. Der Binärcode dieses Bytes stand in einer besonderen Beziehung zum Code der anderen zwölf Bytes: Seine Bits hatten dort, wo die Bits der anderen zwölf Bytes den Wert 0 hatten, jeweils den Wert 1 und dort, wo diese den Wert 1 hatten, jeweils eine 0.
    Diese Sequenz, dieser kleine Komplex von dreizehn Bytes, war in einer bestimmten Anordnung gespeichert. Die Struktur glich einer Kette aus dreizehn Gliedern, und in der Mitte dieser Kette, an der Position sieben, befand sich das Byte 11101011.
    Tobias versuchte herauszufinden, welches Programm diesen Speicherbereich benutzte oder die Daten dort gespeichert hatte, kam jedoch zu keinem Ergebnis. Er konnte einfach nicht feststellen, wo die Datenstruktur herkam, wohin sie ursprünglich gehörte oder welchem Zweck sie diente.
    Er baute die Festplatte aus und sagte den Technikern und Brian Bescheid, dass kein Angriff von außen, sondern ein Hardwarefehler die Ursache für den Systemausfall sei. Mit der Festplatte zog er sich in sein Büro zurück. Dort installierte er sie in einen älteren Computer, den er vorher von allen anderen Rechnern isoliert hatte.
    Etwas sagte ihm, dass die Struktur, die er entdeckt hatte, lebte . Er wusste es, er wusste nur noch nicht, wie man sie wecken konnte. Die Lösung fand er, als er eine Pause machte. Er verließ kurz sein Büro, um sich einen Tee zu holen. Als er zurückkam, lief auf den Projektionsflächen der beiden Computer eine seiner Lieblingsgrafiken: die sich um die eigene Achse drehende Doppelhelix einer DNA-Sequenz.
    Aus seinem Unterbewusstsein drang etwas an die Oberfläche, was er schon seit einiger Zeit wusste, was aber so irrsinnig war, dass er es sich nicht zu denken traute: Das natürliche Prinzip von Leben war der Doppelstrang.
    Fieberhaft schrieb er ein kleines Programm, mit dem er die dreizehn Bytes in den Arbeitsspeicher seines Testcomputers lud, dann lud er sie ein zweites Mal und ordnete die beiden Byteketten so an, dass sie nebeneinanderlagen. Die Projektionsfläche hatte er so eingestellt, dass er die beiden Sequenzen nicht nur beobachten konnte, sondern das Geschehen auch gleichzeitig dokumentiert wurde.
    Auf der Projektionsfläche wurde der Ausschnitt des Arbeitsspeichers, in den er die Struktur geladen hatte, angezeigt:
    00010100 00010100
    00010100 00010100
    00010100 00010100
    00010100 00010100
    00010100 00010100
    00010100 00010100
    11101011 11101011
    00010100 00010100
    00010100 00010100
    00010100 00010100
    00010100

Weitere Kostenlose Bücher