Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)
fragte.
Jakob startete die Präsentation erneut und klickte zwei Seiten weiter. „Die Transplantationszentren, das sind spezialisierte Krankenhäuser, führen Wartelisten der Personen, die ein Spenderorgan benötigen.
Weltweit gibt es mehrere Organspende-Vermittlungsstellen, die miteinander vernetzt sind. Für Deutschland ist die Eurotransplant mit Sitz in den Niederlanden zuständig. Dort wird das verfügbare Organ gemeldet und mit der Bedarfsliste abgeglichen. Die Entscheidungskriterien dafür, wer das Organ erhält, sind ausschließlich medizinischer Natur, Erfolgsaussichten und Dringlichkeit sind maßgeblich. Oder drastischer ausgedrückt: Es spielt weder eine Rolle, wer die Person ist, noch wie sie finanziell dasteht.
Wie Sie hier sehen“, sagte er und rief die nächste Grafik auf, „sind in den letzten Jahren die Erfolgsaussichten, ein Organ mit dem am besten passenden Patienten zusammenzubringen, deutlich gestiegen.
Heute verfügen die Transplantationszentren und die Vermittlungsstellen über eine Analysetechnik, die anhand spezifischer DNA-Sequenzen des Spenders und des Patienten zuverlässig das Abstoßungsrisiko ermittelt. Diese Analysetechnik wurde von der Firma ORGANICA, die ihren Sitz in der Schweiz hat, entwickelt. Man kann damit sozusagen maßgeschneidert den bestmöglichen Organspender beziehungsweise Empfänger finden.
Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, dass sich eine weitere Hand hob. Er hatte den jungen Kollegen schon öfter gesehen, aber sein Name fiel ihm nicht ein. Er behalf sich mit einem einfachen „Ja, bitte?“
Der junge Kollege wurde etwas rot, schaute ihn jedoch direkt an. „Das heißt, dass eines Tages, wenn von jedem Mensch die DNA-Sequenz in einer Datenbank abgespeichert ist, eine einfache Datenbankabfrage reicht, um alle zu mir passenden Organspender ausfindig zu machen?“
„Ich vermute, es wäre ein wenig komplizierter. Aber grundsätzlich müsste das funktionieren“, antwortete Jakob, „worauf wollen Sie hinaus?“
„Das wäre doch eine perfekte Plattform für den Organhandel. Ich wüsste sofort, wer als Spender infrage kommt, könnte ihn direkt kontaktieren und verhandeln. Und wenn er nicht willig ist, brauch ich Gewalt.“ Ein paar Kollegen lachten verhalten, der junge Kollege, der gesprochen hatte, blieb jedoch ernst.
„Sie haben recht, solche Informationen sind heikel und können sicher auf vielfältige Art missbraucht werden“, sagte Jakob, „heute ist das wohl allerdings noch Zukunftsmusik.“
Jakob schaute auf die Uhr. Sie hatten mehr Zeit als geplant für die Beantwortung der Fragen benötigt, doch das störte ihn nicht. Der letzte Teil war für ihre Ermittlungsergebnisse vorgesehen, und darum war es noch recht mager bestellt, erst seit Kurzem gab es erste Ansätze.
„Ich würde jetzt weitere Fragen erst mal hintanstellen und auf unsere aktuellen Ermittlungen eingehen.“ Er registrierte, dass sich Tobias, der bisher eher gelangweilt dem Vortrag gefolgt war, interessiert aufsetzte.
„Wir können sagen, dass wir in unseren Ermittlungsbereichen –wir konzentrierten uns momentan auf Deutschland, Frankreich, die Niederlanden, Dänemark und Österreich – keine Hinweise auf einen systematischen illegalen Organhandel haben. Im Gegensatz zu Ländern wie Indien oder Afrika scheint eine umfangreichere organisierte Kriminalität in diesem Bereich im EU-Raum nicht zu existieren.
Das heutige System bietet zwar eine Reihe von Möglichkeiten, die Wartelisten und die Vermittlungszentralen zu umgehen oder auszutricksen. Bis heute sind jedoch keine schwerwiegenden Fälle offiziell bekannt geworden, offensichtlich haben die Sicherheits- und Kontrollmechanismen ausgereicht. Wir haben jetzt aber ernstzunehmende Hinweise, dass es in unserem Ermittlungsbereich doch bereits zu Straftaten gekommen ist.
Neben einigen Verdachtsfällen, in denen wir noch tiefer ermitteln müssen, gibt es einen, bei dem wir kurz vor dem Abschluss stehen. Grob gesagt geht es darum, dass Ärzte gezielt Krankenakten und Wartelisten manipuliert haben. Auffällig ist, dass Privatpatienten scheinbar häufiger Organspenden erhielten als Kassenpatienten.
Hier liegen also illegale Aktivitäten im Umfeld der Organtransplantationen vor. Ob es sich auch um Organhandel handelt, müssen wir noch klären. Auf alle Fälle scheint Geld zu fließen. Ich gehe davon aus, dass wir diesen Fall noch vor meinem Urlaub abschließen. Damit bin ich am Ende meines Berichts, gibt es noch Fragen?“
Seine Zuhörer
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