Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)
Finanzvorstand Franz Ansinnen zum neuen Vorstandsvorsitzenden berufen. Der Aufsichtsrat bedauerte den Rücktritt des bisherigen Vorstandsvorsitzenden und bedankte sich für dessen hervorragende Leistung in den vergangenen Jahren.
Der Rücktritt des erfolgreichen von Bösental kam überraschend, entsprechend negativ reagierte die Börse. In den letzten zwei Handelsstunden brach die Aktie der DGB um rund drei Prozent ein. Beobachter gehen davon aus, dass die persönlichen Belastungen nach dem Tod des einzigen Sohnes von Bösentals aufgrund einer misslungenen Herztransplantation der tatsächliche Grund sind. Der Sprecher des Aufsichtsrates teilte mit, man hoffe, dass man Herrn von Bösental für eine Position im Aufsichtsrat gewinnen könne.“
Herztransplantation – dieses eine Wort genügte. Jakob riss den Artikel vorsichtig aus der Zeitung und steckte ihn in seine Aktentasche.
Träge blätterte er den Rest der Zeitung durch und blieb an einem weiteren Artikel hängen.
„ORGANICA-Aktien gehen durch die Decke! Das Schweizer Pharmaunternehmen, das schon in den letzten Jahren als der Tipp für Anleger im Pharmabereich galt, sorgte vor einer Woche mit einer Pressemitteilung für Aufregung in der Branche: Das Unternehmen bietet die vollständige Sequenzierung der menschlichen DNA innerhalb von zwölf Stunden an, bei Kosten unter zehn US-Dollar. Seitdem klettert die Aktie der ORGANICA konstant nach oben. Wer Ende letzten Jahres in ORGANICA-Aktien investiert hat, hat seinen Einsatz heute bereits vervierfacht.
Zudem bekräftigten die chinesischen Hauptaktionäre, in den nächsten Jahren weiterhin hohe Summen in die Forschung zu investieren. In der Branche heißt es, dass die Zentrale eines geplanten ORGANICA-Konzerns in Hongkong eingerichtet wird. Beides interpretiert der Markt als deutliche Kaufempfehlung.“
Hitze
Der Auftrag war Routine gewesen, außerdem ein Heimspiel. Wenig Aufwand und hoher Gewinn. Etwas lästig waren nur die unglaubliche Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit in der Sauna gewesen, in der sie die Spenderin bargen. Das Mittel, das man ihr beim Eintritt in den Wellness-Bereich mit einem Getränk gegeben hatte, löste wie geplant einen Schwächeanfall aus. Dass dies gerade in der Sauna passierte, war Pech.
In Kapstadt konnten sie auf das gesamte Equipment eines privaten Krankenhauses und auf einen hochmodernen Rettungswagen zurückgreifen. Die Klinik, in der am Tag durchschnittlich zwei Transplantationen durchgeführt wurden, hatte weltweit einen hervorragenden Ruf.
Dort fiel es nicht auf, wenn kurzfristig die eine oder andere Transplantation dazwischengeschoben wurde. Wobei die Vorbereitungen für diese vermeintlich kurzfristigen OPs jeweils schon seit Monaten liefen. Diesmal hatten sie sogar die Möglichkeit, ein Doppel zu landen: eine Spenderin, zwei zahlende Kundinnen.
Die Spenderin war eine junge Rumänin. Ihre Leber und ihr Gesicht passten zu zwei wie üblich sehr vermögenden Kunden. Die Leber hatte einen Verträglichkeitsgrad von siebenundneunzig Prozent.
Neu für ihn war die vorgesehene Gesichtstransplantation. Mit einem Verträglichkeitsgrad von einundneunzig Prozent war auch hier die Erfolgswahrscheinlichkeit sehr hoch. Den Rest der Spenderin würde die Klinik nach Gutdünken verwenden, das war ein Teil des Geschäftes.
Die beiden Kundinnen, eine Russin und eine Iranerin, die natürlich nichts voneinander wussten, waren schon seit zwei Monaten in der Privatklinik in Behandlung. Es hatte sich bewährt, Spender und Kunden so nah wie möglich zusammenzubringen, dadurch ließ sich eine Reihe von administrativen und technischen Hürden vermeiden.
Der Rettungswagen fuhr nur mit Blaulicht, ohne Sirene, durch die Straßen von Kapstadt, sie hatten es nicht eilig. Die Spenderin war stabil, die Beatmung lief. Der künstlich herbeigeführte Hirntod war vor wenigen Minuten eingetreten, die Klinik informiert. In ein paar Minuten würde er die Spenderin übergeben. Und morgen früh würde er auf seinem Konto wie üblich eine beachtliche Summe vorfinden.
Das Genom der zwanzigjährigen Spenderin war seit einem Jahr in der zentralen Datenbank von Rumänien erfasst. Vor drei Monaten hatte man sie als potenzielle Spenderin identifiziert. Kurz darauf wurde sie gezielt im Rahmen einer Werbeveranstaltung für Organspenden angesprochen. Die hundert US-Dollar Prämie für den Eintrag als Organspender schlug sie nicht ab, zwei Tage später war sie in der Datenbank von ORGANICA.
Die Rumänin hatte Glück
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