Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)
kennen das, die beliebten Tränen-, Mitleid-, Rührgeschichten mit glücklichem Ausgang, passend für ein Klatschblatt.“
„Sie vermuten einen Zusammenhang, Herr Albig?“
„Ja, ich glaube, Sie waren Teil eines sehr speziellen Geschäftsmodells. Maßgeschneiderter Organhandel auf Bestellung für besonders vermögende Personen, wenn Sie so wollen. In einem Fall, vor knapp einem Jahr in München, wird ebenfalls erwähnt, dass ein Englisch sprechender Arzt die Erstversorgung des Spenders vornahm.“
„Das könnte Zufall sein“, warf von Bösental ein.
„Ja, könnte es, aber wohl ein zu schöner Zufall. Gut, das ist alles, was ich aktuell habe.“
Von Bösental stand auf und ging zur Fensterfront seines Büros. Sein Blick verlor sich in den Wolken. „Sie denken, dass das Ganze systematisch betrieben wird?“
Albig zögerte einen Moment und antwortete erst, als von Bösental sich zu ihm umdrehte.
„Ich glaube, nein: Ich bin überzeugt, dass wir es mit einer Organisation, mit organisierter Kriminalität zu tun haben und mit Leuten, die über Leichen gehen.“
„Was werden Sie jetzt tun? Können Sie diesen Arzt finden?“
„Ich sehe eine gewisse Chance, ihn zu finden. Und ich möchte Ihnen etwas vorschlagen. Das BKA hat letztes Jahr eine Abteilung eingerichtet, die sich ausschließlich mit illegalem Organhandel beschäftigt. Ich könnte das ganze Material, meine Schlussfolgerungen und sonstigen Hinweise aufbereiten und es dieser Abteilung anonym zur Verfügung stellen.“
„Bringt das was?“
„Es dürfte mehr bringen als alles andere, was wir tun können. Angenommen, ich finde den Arzt, was ist dann? Wollen Sie ihn töten, Herr von Bösental?“ Es war eine ernst gemeinte Frage.
„Nein, natürlich nicht, obwohl der Gedanke mir auch schon gekommen ist.“
„Was ich sehr gut nachvollziehen kann.“
„Herr Albig, machen Sie es so, wie Sie es gesagt haben.“
„Man wird in der Sache auf Sie zukommen“, warnte Albig, „es könnte sein, dass Sie sich für die Beauftragung dieser Kontaktperson, ein Spenderherz zu beschaffen, verantworten müssen. Die Beauftragung könnte strafbar sein.“ Albig fixierte von Bösental. Was er sah, korrigierte sein Bild vom arroganten, kalten Manager: Von Bösental wirkte nicht im Geringsten erschüttert von der Aussicht auf unangenehme Konsequenzen.
„Herr Albig, ich habe schon immer die Verantwortung für meine Handlungen übernommen. Wir machen es so. Allerdings benötige ich noch etwas Zeit, um einige Vorbereitungen zu treffen. Ich gebe Ihnen Bescheid, wann Sie die Unterlagen weiterreichen können. Danke, Sie haben gute Arbeit geleistet.“
Von Bösental streckte Albig zum Abschied die Hand entgegen. Als Albig sie ergriff, spürte er die Anspannung des Mannes.
Die Tragweite ihrer Entscheidung konnten beide nicht einschätzen: Sie hatten gerade ihr Todesurteil unterschrieben.
Tobias war regelrecht euphorisch, schneller als erwartet hatte er die Bande aufgespürt, die ihn ins Gefängnis gebracht hatte. Idi Masillas Telefonnummer war seine Tür gewesen. Auf der Suche nach einem Softwareprogramm zur Ortung von Handypositionen war er innerhalb des Anonymous-Kollektivs auf ein sehr viel interessanteres Werkzeug gestoßen – auf eine Software des französischen Geheimdiensts zur Überwachung von Telefongesprächen. Positionsbestimmungen von Handys und das Aufzeichnen der Gespräche waren nur Grundfunktionen. Das Besondere und Neue war die künstliche Intelligenz.
Parallel konnten vierundsechzig Telefonanschlüsse überwacht und zueinander in Beziehung gebracht, Bewegungsmuster von Handys identifiziert und mögliche zukünftige Positionen errechnet werden. Aus den Gesprächen ließen sich Beziehungshierarchien ableiten: Das Programm ermittelte, wer im Mittelpunkt, wer in der Peripherie und wer im äußeren Bereich des Beziehungsnetzes stand. Einige interessante Spielereien waren außerdem eingebaut, so die Reaktion auf bestimmte Schlüsselbegriffe und Stimmmustererkennung.
Am besten gefiel Tobias die Funktion, über eine stille SMS gezielt Ortungsimpulse zu versenden. Dabei wurde der Kommunikationsvorgang lediglich simuliert – der Empfänger bekam gar nicht mit, dass eine Verbindung zu seinem Gerät aufgebaut und so seine Position ermittelt wurde.
Die Software war gut. Um sie für seine Zwecke nutzen zu können, brauchte er das modernste Satellitentelefon, das es auf dem Markt gab. Nach wenigen Tagen und mit knapp 3.000 Euro hatte er auch dieses Problem
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