Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)
schwieg, redete Dérúgo.
„Die Nachteile überwiegen jedoch, Vater, denn ich habe mit Ao Chen meinen besten Assistenten verloren.“ Und du deinen besten Spion, dachte er. Längst war ihm aufgegangen, dass nur Ao Chen seinem Vater von seinem kleinen, aber lukrativen Organhandel-Nebengeschäft erzählt haben konnte. „Und Chen hat sichergestellt, dass ihr das Geschäft weiterbetreiben könnt“, ergänzte er.
„Ja, Dérúgo, das hat er. Da wir uns für die Legalisierung des internationalen Organhandels einsetzen, werden wir das Geschäftsmodell aber entsprechend überarbeiten. Das Risiko, wichtige Persönlichkeiten zu enttäuschen, ist weitaus größer als es die doch recht geringfügigen Einnahmen rechtfertigen.“
Dérúgo dachte an von Bösental, sein Vater hatte nicht unrecht.
„Es ist großzügig und angemessen, dass du dich um Ao Chens Familie kümmerst, mein Sohn. Chens Frau sollte versorgt sein und seine Kinder eine ordentliche Ausbildung erhalten.“
Dérúgo verstand die Botschaft: Sein Vater wusste, dass er Ao Chen beseitigt hatte. Er billigte es nicht, und das Geschäftsmodell würde so nicht weitergeführt. Damit war die Sache jedoch abgeschlossen, denn es gab Wichtigeres.
Am Nachmittag lernte Dérúgo Feng seine Braut Bi Han kennen. Sie war vierundzwanzig Jahre alt, siebzehn Jahre jünger als er, und sie gefiel ihm außerordentlich gut. Sie hatte lange schwarze Haare, die sie hochgesteckt trug, und makellose helle Haut – bei ihrem gemeinsamen Spaziergang durch den Park des Anwesens achtete sie sorgfältig darauf, dass sie keine Sonne abbekam. Ihr Gesicht wurde von ihren großen braunen Augen und dem kirschroten Mund dominiert. Er sollte später zu seiner Freude feststellen, dass Bi Hans Lippen keinen Lippenstift brauchten, um so rot zu sein.
Sie studierte Biologie und hatte sich auf Botanik spezialisiert. Die Hartnäckigkeit, sich mit einem Thema bis ins letzte Detail auseinanderzusetzen, hatte sie von ihrem Vater geerbt, und so galt sie schon jetzt als eine Spezialistin der einheimischen Flora.
Als sie gemeinsam durch den Park streiften, faszinierte sie ihn mit ihrem Wissen. Und seine Bereitschaft ihr zuzuhören, sein echtes Interesse erleichterten es der schüchternen Bi Han, sich auf ihn einzulassen.
Wei Feng und Hu Han beobachteten ihre Kinder bei deren Spaziergang. Die Harmonie zwischen den beiden war so unerwartet wie perfekt. Schließlich musste Wei Feng sogar seinen Sohn zu sich rufen lassen, sonst hätte der wohl den Rest des Tages mit Bi Han verbracht. Dabei hatten die drei Männer noch einiges zu besprechen.
Sie zogen sich in den Schatten und die angenehme Kühle einer kleinen Laube zurück, die in der Mitte der Parklandschaft lag. Die Laube war schlicht aber einladend eingerichtet. Auf dem kleinen Tisch in der Mitte standen drei Gläser und eine Karaffe mit Limonade. Sie schwiegen einige Minuten, dann nickte Wei Feng seinem Freund Hu Han zu. Der lehnte sich zurück und sah Dérúgo einen Moment lang abschätzend an.
„Was sagt dir der Begriff Chimäre?“, fragte er schließlich.
Dérúgo dachte einen Moment nach. „Eine Sagenfigur? So eine Art Mischwesen. Es gibt auch Fische, die man Chimären nennt, und dann kenne ich den Begriff noch aus der Genetik. Erbmasse von mehreren Spezies?“
„Ich bewundere dein Allgemeinwissen, Dérúgo.“ Hu Han schien sein Lob ehrlich zu meinen. „Wir interessieren uns für Letzteres, also für tierische Organismen, die aus genetisch unterschiedlichen Zellen aufgebaut sind und dennoch lebensfähige Individuen sind.“
„Ich verstehe“, sagte Dérúgo, „gab es da nicht das Experiment mit Rhesusaffen? Das muss Ende 2011 gewesen sein.“
„Richtig“, brachte sich Wei Feng ins Gespräch ein. „US-Forscher meldeten damals, dass Rhesusaffen aus dem genetischen Material von sechs Elterntieren gezeugt wurden. Dazu wird seit Jahren geforscht. Viele Regierungen haben jedoch der Forschung mit Stammzellen, Embryonen und genetischen Mischwesen enge Fesseln angelegt.“
„Eine löbliche Ausnahme sind auf diesem Gebiet außer China noch die Briten“, ergänzte Hu Han. „Und das ist der eigentliche Grund, warum wir dich nach Großbritannien schicken.“
Dérúgo Feng schwieg und wartete. Sein Vater übernahm nun das Wort. „Wir möchten, dass du die Chimärenforschung in unserem Sinne in Großbritannien vorantreibst. Wir haben vor zwei Jahren in London und an einigen anderen Orten der Welt Labors für die Chimärenforschung
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