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Honeymoon

Titel: Honeymoon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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schlimmer kommen können – sie hätte ja auch X oder so was nehmen können. So hatte sie wenigstens noch Brot, Butter, Bananen ...«
    »Blaubeerkuchen?«, steuerte Patsy bei, als sei sie bei einem Fernsehquiz.
    Emily blinzelte ein paarmal nervös. »Äh ... doch, sicher. Ja, und dann hat Olivia versucht, sich das Leben zu nehmen. Daraufhin ist sie hierher verfrachtet worden.« Sie überlegte einen Moment. »Vielleicht kam auch zuerst der Selbstmordversuch und dann das verrückte Verhalten. Wie auch immer – ich weiß nur eins: Seitdem sind zwanzig Jahre vergangen, und heute kennt Olivia Sinclair nicht mal mehr ihren eigenen Namen.«
    »Mann, das ist echt traurig«, meinte Patsy, die, wie Emily erstaunt registrierte, Betroffenheit zum Ausdruck bringen konnte, ohne auch nur für einen Moment ihr Lächeln abzustellen. »Was denken Sie, was sie hat?«
    »Keine Ahnung. Scheint eine Mischung aus Autismus und Alzheimer zu sein. Ein bisschen reden kann sie ja noch, und auch das eine oder andere selbstständig tun. Nur dass das alles nicht besonders viel Sinn ergibt. Hast du die Tüte bemerkt, die Nora unter dem Arm hatte?«
    Patsy schüttelte den Kopf.
    »Jeden Monat bringt ihr Nora einen Roman mit. Aber immer, wenn ich sie in einem Buch lesen sehe, hält sie es verkehrt herum.«
    »Weiß Nora das?«
    »Ja, leider.«
    Patsy seufzte. »Na ja, immerhin ist es gut, dass sie für ihre Mutter da sein kann.«
    »Ich würde dir ja gerne zustimmen«, sagte die Oberschwester, »nur gibt es da leider ein Problem: Noras Mutter erkennt noch nicht mal ihre eigene Tochter.«
28
    »Hallo, Mom. Ich bin's.«
    Nora ging durch das kleine Zimmer auf ihre Mutter zu und nahm ihre Hand. Sie drückte sie, doch es kam keine Reaktion. Etwas anderes hatte sie auch nicht erwartet. Nora war es gewohnt, bei ihren Besuchen nichts zu spüren.
    Olivia Sinclair lag auf dem gemachten Bett; im Rücken hatte sie zwei dünne Kissen. Nur vertrocknete Haut und Knochen, ein glasiger, starrer Blick – die Frau war siebenundfünfzig, doch sie sah aus wie achtzig.
    »Wie geht's dir denn so?« Nora sah zu, wie ihre Mutter ihr langsam den Kopf zuwandte. »Ich bin's, Nora.«
    »Du bist sehr hübsch.«
    »Danke. Ich war beim Friseur. Für eine Beerdigung – stell dir vor.«
    »Ich lese gern«, sagte Olivia.
    »Ja, ich weiß.« Nora griff in die Tüte und nahm den neuesten John-Grisham-Thriller heraus. »Sieh mal, ich hab dir ein Buch mitgebracht.«
    Sie hielt es ihrer Mutter hin, doch sie nahm es nicht. Nora legte es auf den Nachttisch und setzte sich auf einen Stuhl.
    »Isst du auch genug?«
    »Ja.«
    »Was gab's denn zum Frühstück?«
    »Eier und Toast.«
    Nora rang sich ein Lächeln ab. Das waren im Grunde die schmerzhaftesten Momente – wenn es so schien, als unterhielte sie sich tatsächlich mit ihrer Mutter. Doch Nora ließ sich nicht täuschen. Unweigerlich – fast aus einem selbstzerstörerischen Instinkt heraus – musste sie ihre Mutter auf die Probe stellen, um letzte Gewissheit zu erlangen.
    »Weißt du, wer zurzeit Präsident ist?«
    »Ja, natürlich. Jimmy Carter.«
    Es hatte keinen Sinn, sie zu verbessern; auch das wusste Nora. Stattdessen erzählte sie ihr von ihrer Arbeit und von einigen der Häuser, die sie eingerichtet hatte. Und das Neueste über ihre Freundinnen in Manhattan. Elaine arbeitete zu viel in ihrer Anwaltskanzlei. Allison war immer noch das Trendbarometer vom Dienst bei
W
.
    »Das sind wirklich gute Freundinnen, Mutter.«
    »Klopf, klopf«, sagte eine Stimme hinter ihrem Rücken.
    Die Tür ging auf, und Emily kam mit einem Tablett herein. »Zeit für Ihre Medizin, Olivia.« Die Bewegungen der Schwester waren knapp, beinahe roboterhaft. Aus einem Krug auf dem Nachttisch goss sie Wasser in ein Glas.
    »Bitte sehr, Olivia.«
    Noras Mutter nahm die Tablette und spülte sie ohne Umstände hinunter.
    »Oh, ist das sein Neuester?«, fragte Emily und schielte neugierig nach dem Buch auf dem Nachttisch.
    »Gerade erschienen«, antwortete Nora.
    Ihre Mutter lächelte. »Ich lese gern.«
    »Natürlich, das weiß ich doch«, sagte Emily.
    Noras Mutter griff nach dem Roman. Sie schlug ihn auf und begann zu lesen. Verkehrt herum.
    Emily sah Nora an, die immer so tapfer war – und so schön.
    »Ach, übrigens«, sagte Emily fast schon im Gehen, »der Chor der hiesigen Highschool tritt nachher in der Cafeteria auf. Wir gehen mit der ganzen Station hin. Sie können auch gerne mitkommen, Nora.«
    »Nein, danke. Ich wollte eben aufbrechen. Ich habe

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