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Honeymoon

Titel: Honeymoon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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mit meiner Digitalkamera geschossen hatte. Eins nach dem anderen. Nora Sinclair in ihren schicken Trauerklamotten, von Kopf bis Fuß in Schwarz. Nora in der St.-Mary's-Kirche. Auf dem Friedhof von Sleepy Hollow. Dann wieder in Connor Browns bescheidenem kleinem Domizil. Die letzten Bilder zeigten sie auf der Vortreppe im Gespräch mit Elizabeth, der Schwester des armen Kerls. Elizabeth war groß und blond und sah aus wie eine kalifornische Schwimmerin. Nora war brünett, nicht ganz so groß, aber dafür noch schöner. Sie sahen beide umwerfend aus, selbst in Trauerkleidung. Es hatte den Anschein, als ob sie weinten, und dann umarmten sie sich.
    Wonach suchte ich eigentlich genau?
    Ich wusste es nicht, aber je länger ich diese Fotos anstarrte, desto lauter vernahm ich die Stimme meines Vaters in meinem Kopf: Es ist nicht immer alles so, wie es scheint.
    Ich griff nach dem Telefon und rief die Chefin an. Ihre persönliche Durchwahl. Nach dem zweiten Läuten ...
    »Susan«, meldete sie sich forsch. Kein Hallo, kein Nachname – einfach nur Susan.
    »Ich bin's, hi. Ich brauche nur mal gerade ein Publikum«, sagte ich. »Also, wie höre ich mich an?«
    »Als ob du mir eine Versicherung andrehen wolltest.«
    »Nicht zu sehr nach New York?«
    »Du meinst, nicht zu aufdringlich? Nein.«
    »Gut.«
    »Aber rede ruhig noch ein bisschen weiter, bis ich mir ganz sicher bin«, sagte sie.
    Ich dachte kurz nach. »Okay, also, da ist ein alter Mann, der stirbt und kommt in den Himmel«, begann ich mit derselben Stimme, die in meinen Ohren vor New Yorker Akzent nur so triefte. »Unterbrich mich, wenn du den schon kennst.«
    »Ich kenne ihn.«
    »Nein, das glaube ich nicht – ich wette, über den musst selbst du lachen.«
    »Nun ja, alles passiert irgendwann zum ersten Mal.«
    An dieser Stelle sollte ich erwähnen – falls es nicht schon offensichtlich ist –, dass die Chefin und ich ein ganz spezielles Verhältnis haben. Als Susan die Abteilung übernommen hat, waren da vier oder fünf Typen, die ihr vom ersten Tag an das Leben schwer gemacht haben.
    Deswegen hat sie sie am zweiten Tag alle gefeuert. Ich mache keine Witze. Genauso wenig wie Susan.
    »Also, dieser alte Mann kommt an die Himmelspforte, und da sieht er zwei Schilder«, fuhr ich fort. »Auf dem ersten steht: ›Männer, die von ihren Frauen unterdrückt wurden.‹ Der Alte sieht, dass vor dem Schild eine endlos lange Schlange ist.«
    »Logisch.«
    »Kein Kommentar. Der Alte schaut sich also das andere Schild an, auf dem steht: ›Männer, die
nicht
von ihren Frauen unterdrückt wurden.‹ Und siehe da, vor diesem Schild steht nur ein einziger Mann an. Der Alte geht langsam auf ihn zu und fragt: ›Hören Sie mal, wieso stehen Sie denn hier?‹ Der Typ guckt ihn an und antwortet: ›Keine Ahnung – da müssen Sie meine Frau fragen.‹«
    Ich lauschte, und da war tatsächlich ein klitzekleines Lachen am anderen Ende zu hören.
    »Was habe ich dir gesagt. Wart's ab, demnächst trete ich bei Letterman auf.«
    »Ganz nett«, meinte Susan. »Aber ich an deiner Stelle würde meinen Beruf noch nicht gleich an den Nagel hängen«
    Ich lachte. »Das ist jetzt wirklich witzig – wo ich doch so tun muss, als wäre mein Beruf gar nicht mein Beruf.«
    »Höre ich da eine gewisse Nervosität heraus?«
    »Eher so was wie begründete Bedenken.«
    »Wieso denn? Du hast doch ein Talent für so was. Du bist schließlich ...« Susan brach mitten im Satz ab. »Ah, jetzt verstehe ich. Es ist, weil sie eine Frau ist, hab ich Recht?«
    »Ich will damit nur sagen, es ist ein klein wenig anders als sonst, mehr nicht.«
    »Mach dir keine Sorgen, das schaffst du schon. Ganz gleich, als wer oder was Nora Sinclair sich noch entpuppt, du bist der beste Mann für diesen Job«, sagte sie. »Wann ist denn nun die erste Kontaktaufnahme?«
    »Morgen.«
    »Gut. Hervorragend. Halt mich auf dem Laufenden.«
    »Mach ich«, sagte ich. »Ach, übrigens, Susan ...«
    »Ja?«
    »Ich weiß dein Vertrauen zu schätzen.«
    »Wow.«
    »Wie bitte?«
    »Ach, ich bin bloß solche Bescheidenheit aus deinem Munde nicht gewohnt.«
    »Ich gebe mir Mühe. Ich gebe mir weiß Gott alle Mühe.«
    »Das weiß ich«, sagte sie. »Viel Glück.«
26
    Die psychiatrische Klinik Pine Woods, eine Einrichtung des Staates New York, lag in Lafayetteville. Von Westchester dauerte die Fahrt dorthin rund anderthalb Stunden. Außer natürlich, man hieß Nora Sinclair, besaß ein funkelnagelneues Mercedescabrio und jagte mit hundertdreißig

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