Honeymoon
das?
Niemand sprach diese Worte laut aus, aber die Mienen der Anwesenden verrieten, dass alle dasselbe dachten. Es hatte nach knackenden Zweigen geklungen, nach Schritten möglicherweise. Der kopflose Reiter auf nächtlicher Tour?
Wir blieben alle wie angewurzelt stehen und lauschten. Über uns schwankten die dicken Äste einer Eiche knarrend und ächzend im Wind. Zu unseren Füßen raschelten ein paar Blätter. Doch das mysteriöse Geräusch wiederholte sich nicht.
Die drei Friedhofsarbeiter, die sich offenbar weniger gruselten als wir anderen, machten sich wieder an die Arbeit und begannen zu kurbeln.
Langsam hob sich Connor Browns Sarg aus dem Grab.
Fast wie aufs Stichwort wurde der Wind stärker. Die Luft schien plötzlich kühler, und ein Schauer lief mir über den Rücken. Ich bin nicht sonderlich religiös, aber ich begann mich unwillkürlich zu fragen, was wir da eigentlich taten. Wir störten die Totenruhe. Brachten die natürliche Ordnung durcheinander.
Ich bekam allmählich ziemliche Bedenken.
Kracks!
Das Geräusch übertönte das Rauschen des Windes und hallte in der Finsternis wider. Keine Zweige. Das war zehnmal so laut gewesen. Die Griffe an der einen Seite des Sarges waren zersplittert, wodurch der Deckel mit einem widerlichen Kreischen wie von Fingernägeln auf einer Schiefertafel aufgestemmt wurde.
Wie in Zeitlupe kullerte der Inhalt des Sarges heraus. Connor Browns Leiche.
»Himmel Herrgott!«, schrie der Cop neben mir auf.
Wir eilten an den Rand des Grabes, wo uns ein fauliger Geruch entgegenschlug. Sofort setzte bei mir der Würgereflex ein und schnürte mir die Kehle zu.
Ich musste einen Schritt zurückweichen, aber ich hatte schon genug gesehen. Ein verwesendes Gesicht; weißes, sehniges Fleisch; Augäpfel, die aus eingefallenen Höhlen hervorquollen, der glasige Blick starr auf mich gerichtet.
Die Friedhofsarbeiter fluchten in einem Mischmasch aus Spanisch und Englisch, während der junge Bursche vom Pathologielabor nur den Kopf schüttelte.
Der Cop stand immer noch neben mir. Er kotzte sich die Seele aus dem Leib.
»Verdammt, was machen wir jetzt?«, fragte ich.
Die Antwort kam in Form einer Leiter. Einer der Totengräber musste wieder ins Grab steigen. Es gab nur eine Möglichkeit, den Leichnam jetzt noch herauszukriegen – man musste ihn tragen.
»Bitte, wir brauchen Hilfe«, sagte der Sprecher des Friedhofstrupps.
Es war die leichteste Entscheidung, die ich je gefällt hatte.
Ich drehte mich zu dem Cop um, der immer noch gebückt dastand und die letzten Reste seines Abendessens herauswürgte.
Er sah mich an, käsebleich und mit dem Ausdruck ungläubigen Staunens.
»Ich?«, japste er. »Ich soll da rein?«
Mein Lächeln sagte alles.
Tut mir Leid, Kamerad. Hättest du mal lieber über die Witze dieses FBI-Typen gelacht.
56
Nora war sich nicht sicher, ob sie entdeckt worden war, aber zweifellos hatten die Männer etwas gehört. Das Knacken des Zweigs, auf den sie bei dem Versuch, sich näher heranzuschleichen, getreten war, hatte sich wie eine kleine Explosion angehört.
Als sie sich alle in die Richtung des Geräuschs umgedreht hatten, war sie rasch hinter dem nächsten Grabstein in Deckung gegangen. Sie kauerte sich eng zusammen und hielt die Luft an. Das war ein guter Zeitpunkt, sich die Frage zu stellen, wieso sie dieses Risiko überhaupt auf sich genommen hatte.
Doch sie hätte diesem Schauspiel niemals fernbleiben können, das wusste sie genau.
Sie musste zusehen, so aufwühlend und makaber es auch sein mochte. Connors Leiche der Erde wieder zu entreißen – würden sie das tatsächlich fertig bringen?
Die Antwort lautete: Ja.
Nora erschauerte. Eine Legende besagte, dass irgendwo auf diesem Friedhof in einem namenlosen Grab eine Hexe beigesetzt war. Selbst durch ihren dicken Pullover hindurch konnte sie die kalte Granitplatte in ihrem Rücken spüren. Ganz langsam drehte sie sich um und lugte hinter dem Grabstein hervor. Puh! Sie hatten sich wieder an die Arbeit gemacht und Gurte an einer Metallkonstruktion über Connors Grab befestigt. Jetzt begannen sie mit der Hebung des Sargs.
Ungläubig beobachtete sie den Vorgang. Mit jeder Drehung der Winde wuchs ihre Bestürzung. Alles war so glatt gelaufen. Es hatte keinen Grund zur Beunruhigung gegeben. Sie hatte geglaubt, endlich aufatmen zu können. Und jetzt das.
Für wen hielt sich dieser O'Hara eigentlich? Dieses Arschloch! Dieses miese Schwein!
Was eine weitere Frage aufwarf. Wo steckte er denn
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