Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Philip Tschens.
»Was ist mit unserer Bank – der Victoria Bank of Hongkong and China?« erkundigte sich Dunross, dem es Spaß machte, diese Frage zu stellen. »Ich kenne die genaue Höhe unserer Einlagen nicht.«
»Diese Information war immer nur dem Tai-Pan vorbehalten.«
Dunross wandte sich an Philip Tschen. »Wie hoch ist dein Aktienbesitz, einschließlich des treuhänderischen Anteils?«
Der geschockte Comprador zögerte.
»In Zukunft werde ich das Stimmrecht gemeinsam für unsere und deine Anteile ausüben.« Dunross hielt seine Augen auf den Comprador gerichtet. »Bis morgen mittag erwarte ich eine formelle unbefristete Übertragung deiner Stimmrechte an mich und an alle Tai-Pane nach mir, sowie, für den Fall, daß du dich jemals entscheiden solltest, sie zu verkaufen, das Vorkaufsrecht auf deine Anteile.«
Eine beklemmende Stille trat ein.
»Ian«, setzte Philip Tschen an, »diese Anteile …« Aber sein Vorsatz wankte unter Dunross’ unbewegtem Blick. »6 Prozent … über 6 Prozent. Ich … ich werde deinem Wunsch entsprechen.«
»Du wirst es nicht bereuen.« Nun wandte Dunross seine Aufmerksamkeit Alastair Struan zu, und dem alten Mann stockte das Herz. »Wie groß ist unser Aktienkapital? Davon entfällt wieviel auf Treuhänder?«
Alastair zauderte. »Diese Zahl sollte nur dem Tai-Pan bekannt sein.«
»Selbstverständlich. Aber unser Comprador verdient unser volles Vertrauen«, konterte Dunross, womit er des Alten Gesicht rettete, denn er wußte, wie sehr es ihn verletzt haben mußte, vor Alastair Struan an Ansehen verloren zu haben.
»15 Prozent«, antwortete Struan.
Dunross schnappe nach Luft. Himmel Arsch, hätte er brüllen mögen, wir haben 15 Prozent, und Philip hat weitere sechs Prozent, und du hast nicht einmal das Minimum an Verstand, jetzt, wo wir fast bankrott sind, mit dieser Schachtel neues Kapital aufzutreiben? Statt dessen beugte er sich vor und goß den Rest der Flasche in die drei Gläser; dies ließ ihm Zeit, sich ein wenig zu beruhigen. »Gut«, sagte er mit seiner nüchternen, leidenschaftslosen Stimme. »Ich hoffe, daß wir gemeinsam bessere Resultate erzielen werden. Ich habe die Sondersitzung vorverlegt. Auf nächste Woche.«
Beide Männer sahen erstaunt auf. Trotz ihrer Rivalität trafen die Tai-Pane von Struan’s, Rothwell-Gornt und der Victoria Bank seit 1880 alljährlich im geheimen zusammen, um über Angelegenheiten zu beraten, die Auswirkungen auf die Zukunft Hongkongs und Asiens haben mochten.
»Ich habe heute früh mit allen telefoniert. Wir treffen uns nächsten Montag um 9 Uhr früh hier.«
»Wer kommt von der Bank?«
»Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Havergill – der Alte macht in Japan und dann in England Urlaub.« Dunross’ Züge verhärteten sich. »Ich werde mit Havergill zurechtkommen müssen.«
»Paul ist in Ordnung«, sagte Alastair. »Er wird der nächste Boss sein.«
»Nicht, wenn ich es verhindern kann«, sagte Dunross.
»Du hast Paul Havergill nie gemocht, nicht wahr, Ian?« fragte Philip Tschen.
»Nein, er ist mir zu insular, zu sehr Hongkonger, zu antiquiert und zu großspurig.«
»Und er hat deinen Vater gegen dich unterstützt.«
»Ja. Aber das ist nicht der Grund, warum er gehen sollte, Philip. Er sollte gehen, weil er Noble House im Weg steht. Er ist zu konservativ, viel zu großzügig gegenüber Asian Properties, und ich vermute, daß er sich im geheimen mit Rothwell-Gornt verbündet hat.«
»Ich teile diese Ansicht nicht«, sagte Alastair.
»Ich weiß. Aber wir brauchen Geld, um zu expandieren, und ich habe die Absicht, dieses Geld zu beschaffen. Und meine 21 Prozent sehr intensiv einzusetzen.«
»Ich rate dir, dich nicht mit der Victoria anzulegen«, sagte Philip Tschen mit ernster Miene.
»Das werde ich auch nicht. Sofern meine Bank mitspielt.« Einen Augenblick lang sah Dunross dem Regen zu. »Übrigens habe ich auch Jason Plumm zu der Sitzung eingeladen.«
»Wozu denn das, verdammt nochmal?« rief Struan, dessen Nacken sich abermals rötete.
»Zusammen mit seinen Asian Properties haben wir …«
»Plumm steht auf Dirk Struans Verschißliste, wie du das nennst. Er ist unser deklarierter Gegner.«
»Zusammen bilden wir vier in Hongkong eine Mehrheit und …« Dunross unterbrach sich, als das Telefon läutete. Alle drei schauten hin.
»Es ist jetzt dein Telefon«, sagte Alastair Struan säuerlich.
Dunross nahm den Hörer ab. »Dunross.« Er hörte einen Augenblick lang zu, und dann sagte er:
Weitere Kostenlose Bücher