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Honigsüßer Tod

Honigsüßer Tod

Titel: Honigsüßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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Stammtisch, die anderen an
einem Tisch in der entgegengesetzten Ecke des Lokals.
    Fremden servierte man hier zunächst einmal eine ordentliche Portion
Misstrauen, konstatierte Hummel. Zumindest, wenn einer von ihnen gehetzt und
mit einem Laptop unterm Arm in den Gasthof stürmte und der andere bei
geschätzten acht Grad Außentemperatur Bermudas sowie einen schwarzen und einen
braunen Schuh trug. Als klassische Wanderer gingen sie wohl kaum durch.
    Das Lokal sah aus, wie man sich eine ziemlich sicher seit dem
Zweiten Weltkrieg nicht mehr renovierte Landgaststätte vorzustellen hatte. An
den Wänden hingen vergilbte Fotos, die offenbar die aktuellen oder früheren
Inhaber sowie deren Familien zeigten. Auf einem ganz alten Bild war eine
Postkutsche zu sehen, auf einem anderen ein Fastnachts-Umzug, der an der
»Linde« vorbeiführte. Pferdegeschirr hing ebenso an der Wand wie die Geweihe
dreier kapitaler Schwarzwaldhirsche. Das Einzige, das aus dem letzten Jahrzehnt
zu stammen schien, war ein Fernseher in der Ecke unter dem Kruzifix.
    Das Ambiente bis hin zu den rot-weiß-karierten 70er-Jahre-Tischdeckchen
wirkte ein wenig schmuddelig. Kein Wunder, dass das Schild draußen ein grün
unterlegtes »Zimmer frei« angezeigt hatte.
    »Tach und Hallo zusammen«, krähte Riesle munter in die Runde. Als
Journalist war er es gewohnt, mitunter als Eindringling angesehen zu werden.
    Keiner erwiderte den Gruß, obgleich der Redakteur zumindest eine
Person an diesem Abend schon gesehen hatte. Ein etwa 50-jähriger,
korpulenter Mann in Polizeiuniform war Teil der Stammtisch-Truppe. Er hatte zu
denen gehört, die vergeblich versucht hatten, Riesle vom Tatort fernzuhalten.
    Vermutlich war er der Dorfpolizist. Und wenn der hier saß, dann
würden wohl auch die anderen Anwesenden schon über den Mord Bescheid wissen.
    »Ein Bier bitte, Meister«, sagte Riesle zu einem weiteren Mitglied
des Stammtisches. Das musste der Wirt sein, der seiner Kleidung nach
gleichzeitig auch Koch war, denn er trug eine große weiße Schürze. Die üppige
Figur verriet, dass es hier wohl deftige Kost gab.
    Rund um den Sonnenhof lief offenbar so ziemlich jeder in Weiß herum.
Die Sektenleute ohnehin, die Kriminaltechnik, der Koch – und ein weiterer Mann
am Tisch, den Riesle im ersten Moment tatsächlich für einen Kriminaltechniker
gehalten hatte. Auf den zweiten Blick war es aber wohl eher ein Maler. Auf
seinem weißen Overall zeichneten sich ein paar Spritzer ab– allem Anschein nach
aber Farbe, kein Blut.
    »Mir habe’ eigentlich scho’ g’schlosse’«, antwortete der andere
Weiße unwillig.
    Hummel plädierte mit einer unsicheren Bewegung für Rückzug, aber
Riesle ließ nicht locker. Wenn er die Kleidung eines vierten Mannes am Tisch
richtig deutete, handelte es sich um den Pfarrer, der in seiner schwarzen
Soutane an der Stammtisch-Runde teilnahm. Hubertus kam er vor wie eine Demonstration
des angestammten Glaubens in diesem Dorf, in das die Sekte eingedrungen war.
    »Kommen Sie schon: Wir würden auch ein Zimmer für die Nacht nehmen«,
versuchte es Riesle weiter. Hummels Augen weiteten sich vor Schreck. Ein
Zimmer? In dieser Absteige? Ohne Waschzeug oder Kleidung zum Wechseln, dafür
aber in verschiedenfarbigen Schuhen?
    Am liebsten wäre er gleich nach einer Stärkung zu den »Kindern der
Sonne« zurück, um Elke abzuholen. Auch wenn die Chancen dafür um diese Uhrzeit
nicht optimal standen.
    Der Wirt schien zu überlegen.
    »Was wollet Ihr denn überhaupt hier?«, fragte ein weiterer
Stammtischbruder mit vierschrötigem Gesicht, für den Alkohol offensichtlich
kein Fremdwort war.
    »Ich will meine Frau aus den Klauen dieser Sekte befreien«, brach es
aus Hummel heraus – und er traf damit genau den richtigen Ton.
    Der Wirt brachte ihnen nicht nur Getränke, sondern gab auch sein
Einverständnis für die Übernachtung.
    Während Riesle seinen Artikel in den Laptop hackte, widmete sich
Hummel dem Bier und einem Badischen Wurstsalat mit Käse.
    »Fresssucht schlägt Ekel«, hatte Klaus leise gelästert.
    Sie nahmen neben dem Stammtisch Platz und erfuhren binnen drei
Minuten, dass so ziemlich jeder der Anwesenden größere Vorbehalte gegen die
Sekte hatte.
    »Des war sicher einer vo’ diese’ Verrückte’«, meinte der Maler – der
natürlich wie die anderen bereits bis in alle verfügbaren Details über den Mord
Bescheid wusste.
    »Warum?«, fragte Hubertus.
    »Für die gelte’ doch eh ihre eigene’ G’setze«, erläuterte der

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