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Honigsüßer Tod

Honigsüßer Tod

Titel: Honigsüßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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Maler.
»Dieser Luzifer hat doch ausg’rechnet, dass ohnehin bald die Welt untergeht – und nur die Sekte g’rettet wird.«
    »Lucidus«, korrigierte der Pfarrer, der als Einziger seine Emotionen
unter Kontrolle zu haben schien, »Lucidus heißt dieser selbst ernannte
Erleuchtete.«
    »Herr Pfarrer«, sagte Hummel. »Können Sie mir erklären, was genau in
dieser Sekte vor sich geht?« Er zog einen Prospekt, den er am Nachmittag beim
Warten auf Elke mitgenommen hatte, aus der Hosentasche und schüttelte den Kopf.
»Wir haben nur noch wenig Zeit, unser Karma zu verbessern. Nutzen wir sie!«,
las er vor. Er blickte den Pfarrer fragend an: »Glauben die jetzt, dass sie
wiedergeboren werden? Oder glauben sie an einen Gott, der alle richtet?«
    Der Pfarrer, ein schmaler Mann von Anfang 60,
blickte etwas hilflos drein. »Wenn ich das richtig verstehe, wurde man nach der
Lehre der ›Kinder der Sonne‹ von Anbeginn bis jetzt immer wiedergeboren und
hatte somit Zeit, an seinem Karma zu arbeiten. Dennoch gibt es eine
Eschatologie.«
    »Und des heißt?«, fragte der Maler.
    »Bei dieser Sekte mischen sich christliche und ostasiatische
Elemente. Einerseits geht es um Reinkarnation, andererseits gibt es ein wie
auch immer geartetes göttliches Sonnen-Wesen, das ein Urteil fällen wird. Die
einen werden gerettet, die Seelen der anderen zerstört.«
    Riesle redigierte seinen eigenen Text. Die letzten Zeilen lauteten:
»Kommt der Mörder aus den eigenen Reihen? Die ›Kinder der Sonne‹ stehen nun im
Regen.« Wie immer etwas reißerisch, etwas anrüchig – genau, wie es ihm gefiel.
    Allerdings gab es ein neues Problem: Der Text im Laptop ließ sich
nicht senden. »Kein W -Lan? Kein
Internet-Anschluss?«, fragte Riesle und stieß auf Verständnislosigkeit. Der Journalist
grummelte einen Satz, in dem »hinter dem Mond« vorkam.
    Der Pfarrer referierte derweil weiter: »Lucidus hat offenbar die
Weisheit, wie man gewissermaßen gottgefällig lebt und für ein optimales Karma
sorgt. Und er ist ein Medium, empfängt in angeblichen Séancen Anweisungen.« Er
blickte in die Runde. »Es ist halt leider nicht mehr so einfach wie früher, als
noch alle katholisch waren.«
    »Jo«, maulte ein älterer Teilnehmer, der bis dahin noch gar nichts
gesagt hatte. »In de’ 50er Jahr sind die erschte Evangelische’
ins Dorf komme’. Glaubt ihr, des wär’ möglich g’wese’, dass einer vo’ uns e’
Evangelische g’heiratet hätt’? Nei, sicher nit.«
    Der Pfarrer nickte.
    Riesle war mittlerweile auf der Suche nach Empfang einmal um die
Gastwirtschaft gelaufen, aber es half nichts. Er musste wohl oder übel in der
Redaktion anrufen und wie in der guten alten Zeit dem darüber mäßig
begeisterten Kollegen den Text diktieren. Noch dazu via Festnetz aus der
lärmigen Gaststätte, da auch das Handy den Dienst verweigerte. Das Bild ließ
sich also nicht übertragen.
    »Und dann habet mir auf ei’mol e’ paar vo’ dene Moslems do g’habt«,
fuhr der Alte in seinem Vortrag fort. »Dagege’ waret die Evangelische jo
richtig harmlos.«
    Die Runde nickte zustimmend.
    »Ja!«, sagte der Maler. »Ich hätt’ auch tausendmal lieber, dass
meine Tochter en Evangelische’ heiratet als so en Türk’.«
    Wieder herrschte rege Zustimmung.
    »Deine Tochter und en Türk’«, lachte der Wirt. »Davor tät’sch sie
wohl sogar no’ ins Kloster stecke’.«
    Schweigen.
    «Des isch ja au’ nix Schlecht’s«, bemühte er sich zu versichern, als
der strenge Blick des Pfarrers ihn traf.
    »Und jetzt habet mir no diese Irre im Dorf«, schimpfte der alte Mann
weiter. »Während die Türke’ wenigschtens für sich bleibe’, probiere’ uns die
Irre’ zu missioniere’.«
    Er bestellte noch einen Weißburgunder.
    »Wie denn?«, fragte Riesle interessiert, der seinen Artikel endlich
durchgegeben hatte.
    »Sie pflastern das Dorf mit Zetteln zu: ›Das Ende ist nahe.‹ ›Kommt
aus dem Dunkel ans Licht – Hört auf den Erleuchteten.‹ Und so weiter«, zählte
der Pfarrer auf.
    »Sind denn schon Einheimische zu der Sekte übergelaufen?«, fragte
Riesle.
    »Bei den Älteren besteht die Gefahr nicht«, sagte der Pfarrer.
»Junge Leute wollen halt eher mal etwas ausprobieren. Aber meines Wissens
sympathisiert derzeit niemand aus dem Dorf mit den ›Kindern der Sonne‹.« Er
nahm seine Brille ab und putzte sie mit dem Tischtuch, wovon sie nur
unwesentlich sauberer wurde.
    »Dass Sie, Herr Pfarrer«, meinte Riesle, »kein Interesse haben, dass
die Sekte

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