Honigsüßer Tod
Oder darüber, dass er in einem vegetarischen Rohkost-Restaurant
gegessen hatte …
»Was empfindest du für ihn?«, fragte Andromeda nun.
Elke dachte lange nach. »Ich mag Hubertus wirklich«, sagte sie
schließlich. »Aber unsere Ehe befindet sich möglicherweise gerade in Auflösung.
Vielleicht ist auch das ein Zeichen, dass ich hierher gehöre …«
»Hängst du noch an ihm?«
»Seit ich hier bin, habe ich eigentlich mehr denn je den Eindruck,
dass er meiner Entwicklung im Weg steht … Und mein Karma hat ohne ihn innerhalb
der letzten Tage große Fortschritte gemacht. Das spüre ich ganz genau.«
Über die »Kinder der Sonne« hatte sie bereits früher einiges gelesen – wie über so viele andere Gruppen auch. Den eigentlichen Kontakt hatten
Pergel-Bülows hergestellt. Sie hatten bei Brindur vor einigen Jahren ein
Eheseminar besucht – damals, als er der Gemeinschaft noch nicht angehört hatte.
»Er hat uns die Augen geöffnet«, hatte Regine geschwärmt. »Gemeinsam
ganzheitlich den Seelenweg gehen«, hatte das Seminar geheißen. Danach war der
Kontakt zu Gerhard, der jetzt Brindur hieß, nie mehr abgerissen.
Ein Eheseminar, dachte Elke. Hubertus hätte sich vermutlich lieber
entleibt, als an so etwas teilzunehmen. Regine hatte mit Klaus-Dieter wirklich
Glück gehabt. Eine echte Seelenverwandtschaft!
Und wenn es eine solche für sie in der Welt da draußen nicht gab,
dann vielleicht hier. Zu Brindur vielleicht, aber auch zu Andromeda, die sie
immer mehr mochte.
»Jetzt bist du also Novizin«, sagte Elke. »Hast du nie gezweifelt?«
»Natürlich lässt man nicht jeden Tag gleich viel Sonne in sein Herz
und in seine Seele«, sagte Andromeda ehrlich. »Aber ich bin mehr denn je davon
überzeugt, dass Lucidus mir Heil bringt. Meinem Leib und meiner Seele.«
Dann war es Zeit für die Mittags-Anbetung.
11. Soko »Honig«
Thomsen sehnte sich nach seinem Büro in Villingen zurück.
Dort wäre er jetzt vermutlich richtig schön einsam gewesen. Hier dagegen in der
provisorischen Soko-Einsatzzentrale ging es zu wie in einem Taubenschlag. Das
Rathaus von Großbiberbach war eben einfach zu klein.
Im Sitzungssaal drängten sich die Beamten. Telefone, Computer, Faxe,
Ausdrucke, Karten an der Wand.
Nach zehn Minuten kam auch Kollege Winterhalter schon wieder zur Tür
herein.
In der Hand hatte er die Liste der Sektenmitglieder, die er im
Sonnenhof organisiert hatte. Vor der Pressemeute würden sie die Liste aber
zurückhalten – nicht nur, weil Lucidus ausdrücklich darum gebeten hatte.
Der Soko-Leiter ärgerte sich. Er würde schauen müssen, dass er ein
eigenes Büro bekam. Vielleicht das des Bürgermeisters. Dessen Amtsgeschäfte
konnten ja wohl nicht wichtiger als ein Mord sein.
Ein Kollege hatte ihm vorher gesteckt, dass es Widerstand gegen ihn
als Soko-Chef gegeben habe, weil er kein »Team Player« sei. Natürlich war er
das nicht. Aber dafür war er der Fähigste unter den Beamten. Der beste
Kriminalist. Da war sich Thomsen sicher. Weniger denn je durfte er nun Schwäche
zeigen. Und die Anti-Depressiva bloß nie in Gegenwart eines anderen Menschen
nehmen – geschweige denn in der eines Polizisten.
»Wie sind Sie denn zurückgekommen?«, fragte er. Sein Tonfall
verriet, dass ihn das eigentlich überhaupt nicht interessierte.
»Herr Riesle war so freundlich, mich mitzunehmen. Sie waren ja schon
weg.«
»Was? Dieser Schmierfink? Sie sollten sich nicht zu viel mit dem
abgeben. Der versucht Sie doch nur auszuquetschen.«
Irgendwie waren sie schon jetzt wie ein altes Ehepaar. Noch dazu ein
Ehepaar, das es versäumt hatte, sich vor 20 Jahren
scheiden zu lassen. Jede Eigenart des anderen störte sie – und dabei arbeiteten
sie gerade mal seit elf Monaten zusammen.
Thomsen schien in dieser seltsamen Beziehung eher den weiblichen
Part zu übernehmen. Er beklagte sich über Schmutz, Geruch und alle möglichen
Fehler, legte dem »Partner« nahe, sich doch zu waschen, mäkelte, kompensierte
seinen Frust mit intensiver Körperpflege, nahm Tabletten. Winterhalter, also
gewissermaßen der Mann, tat, was überdrüssige Ehemänner meistens so tun: er
hörte nicht zu.
Stattdessen dachte er an Hilde, seine trächtige Kuh. Wann das
Kälbchen wohl kam? Er würde gleich mal zu Hause anrufen – sobald das
unauffällig möglich war.
Thomsen holte ein paar Sagrotantücher aus seiner Tasche und begann,
die Tasten seines Laptops akribisch zu reinigen. Er wickelte das Tuch so, dass
sich eine kleine, feste Spitze
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