Honigsüßer Tod
schämen– sogar vor diesen
Sekten-Leuten.
Doch der tobende Mann war gar kein Journalist. Er trug einen
schwarzen und einen braunen Schuh sowie Bermuda-Shorts. Hubertus Hummel war von
Irinus an der Eingangspforte aufgehalten worden.
Hummel hatte es als seine Pflicht angesehen, auf direktem Weg zu
seiner Frau zu kommen. Wegen des Mordes und wegen der freien Liebe, die ja
angeblich in der Sekte praktiziert wurde. Die ganze Nacht über hatten sich bei
ihm Aktionismus, Angst und Schlaflosigkeit zu einem unschönen Cocktail gemixt.
Zwischendrin hatte sich immer wieder Wut hinzugesellt. Es war wirklich typisch
Elke, hier zu landen. Konnte sie denn nicht einfach mal ganz normal leben?
»Aha, Liebe und Frieden sind hier also das Motto?«, echauffierte
sich Hummel in Richtung Polizei. »Aber dieser Sektentyp hat mich gerade
angegriffen.«
Riesle überlegte, ob er das Chaos nutzen und einfach durch das nun
halboffene weiße Tor huschen sollte. Er sah weiter drinnen beim Hauptgebäude
aber mindestens zwei weitere wachsame Weißgekleidete stehen. Drei Polizisten
waren nun zusätzlich damit beschäftigt, das Sektenanwesen zu sichern.
»Was gibt’s denn Neues?«, fragte Riesle Winterhalter, nachdem sich
Hummel wieder einigermaßen beruhigt und sein Hemd in die Bermudas
zurückgesteckt hatte. Jetzt war ihm sein Auftritt eher unangenehm.
Der Ö reichte Riesle eine Kopie der Pressemitteilung, die er am
Morgen verfasst hatte. »Ist mir doch schon alles bekannt«, winkte der
Journalist lässig ab. »Neuigkeiten möchte ich erfahren.«
»Jetzt machen wir das Spiel mal umgekehrt«, meldete sich
Winterhalter und zeigte auf Hummel. »Nun will ich mal was wissen. Herr Hummel,
kann es sein, dass sich Ihre Frau da drin«– er zeigte hinter sich in Richtung
Mauer, »befindet? Und wenn ja« – er hielt kurz inne, weil er via
Zwei-Meter-Funkkanal eine interne Mitteilung erhielt –, »was macht die denn
da?«
Hummel fuhr sich nervös über die Haare. Wahrscheinlich hatte die
Polizei noch in der Nacht alle Sektenleute einzeln verhört.
Was sollte er nun Winterhalter sagen? Dass seine Ehe auf tönernen
Füßen stand? Dass er indirekt selbst für Elkes Flucht hierher verantwortlich
war?
Immerhin bedeuteten die Worte des Polizisten aber auch, dass Elke
wohlauf war – andernfalls hätte das Winterhalter sicher erwähnt.
Hummel schwieg weiter. Dafür bohrte nun Riesle. »Sie haben sie also
gesehen? Wie geht es ihr? Sie will doch jetzt nach dem Mord sicher da raus,
oder?«
»Wie lange ist sie denn schon drin?«, fragte Winterhalter zurück.
»Fünf Tage«, sagte Hummel. Und fügte unsicher hinzu: »Sie wollte mal
ausspannen …«
Winterhalter schaute spöttisch: »Bei denen? Bei diesem Lucidus? Na,
das klappt ja prima. Da sollte sie lieber mal Urlaub auf meinem Bauernhof
machen.«
Dann fasste er sich aber wieder: »Wir haben Ihre Frau nur kurz beim
Meditieren gesehen. Aber ich kann Sie beruhigen: sie weiß noch gar nichts von
dem Mord. Außer drei, vier Sektenleuten soll da vorerst keiner eingeweiht
werden. Der Herr Lucidus möchte nicht, dass sich die Herrschaften beunruhigen …«
»Aha«, machte Hummel.
»Übrigens«, fuhr Winterhalter fort, »die Sektenkleidung steht Ihrer
Frau sehr gut.«
Noch ein Tiefschlag. Jetzt war Hummel endgültig bedient. Er schwieg.
Wie immer mit Glatze, wie immer im Anzug – der Kollege von der
Deutschen Presse-Agentur. »Gibt’s denn nun noch irgendetwas Neues?«
Winterhalter nickte. »Grad kam was über Funk. Der Herr Sektenchef
Lucidus gibt um 13.30 Uhr eine Pressekonferenz. Hier, vor de’ Tore’ des Sonnenhofs.«
»Wenigstens etwas«, knurrte jetzt der SWR -Mann.
»Und Sie« – er deutete auf Winterhalter – »kommen mal mit. Ich brauche einen O -Ton. Bitte klar und deutlich sprechen. Und möglichst
ohne Ihren üblichen Dialekt – die Geschichte läuft nämlich bundesweit.«
Winterhalter ergab sich grummelnd in sein Schicksal.
10. Elkes neue Freundin
»Was mich am meisten fasziniert«, sagte Elke, »sind seine
blauen Augen. Sie erscheinen mir wie Ozeane der Weisheit.«
Ihre Gesprächspartnerin nickte. Sie befanden sich in einem
blumengeschmückten Saal, einer Art Aufenthaltsraum, an der Ostseite des
Sonnenhof-Parks. Wie in alle Räume konnte auch in diesen dank des Glasdachs das
Sonnenlicht hineinfluten. Sofern sie strahlte, sollte sich jedes »Kind der
Sonne« an ihr erfreuen können, auch wenn man sich in geschlossenen Räumen
aufhielt. Das Beste aus der Tradition mit neuen
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