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Honigsüßer Tod

Honigsüßer Tod

Titel: Honigsüßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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Erkenntnissen in harmonischen Einklang
bringen, so lautete das Motto der Sekte in architektonischer wie theologischer
Hinsicht.
    »Er hat eine Ausstrahlung, wie sie kein normaler Mensch haben kann.
Schon bei der ersten persönlichen Begegnung war mir das bewusst.« Die Frau war
gut zehn Jahre jünger als Elke, aber ebenso zierlich. Sie hatte pechschwarzes
Haar, das lang und wallend auf ihr weites Kleid und die bunten Ketten fiel.
    »Ich fühle mich sehr zu ihm hingezogen – selbstverständlich mehr als
Meister denn als Mann, also auf einer spirituellen Ebene.«
    Das Gespräch drehte sich natürlich um Lucidus. Schon Brindurs Art
hatte Elke sehr gefallen. Nachdem sie nun aber erstmals dem Erleuchteten
vorgestellt worden war, hatte sie gewusst, dass sie hier richtig war. Er war
charismatisch, feinfühlig, sensibel. Und ziemlich anders als Hubertus.
    Wichtig war Elke, dass hier tatsächlich all die Wege, die sie in
religiöser Hinsicht in den letzten Jahren gegangen war, in einen einzigen zu
münden schienen. Die Anbetung der Natur, der Sonne. Einflüsse antiker
Religionen, ostasiatischer Philosophien und auch christliche Elemente. Was die
etablierten Religionen aus Machtgier und einseitiger Exegese versäumt hatten,
wurde allem Anschein nach hier im tiefsten Schwarzwald praktiziert. Liebe,
Frieden und eine vielversprechende Zukunft – zumindest für die, die sich bis
zur Endzeit entsprechend weiterentwickelt hatten.
    »Andromeda, warst du früher auch einmal probehalber hier– so wie ich
jetzt?«, fragte Elke.
    Die Angesprochene nickte. »Ja, es gefiel mir gleich sehr gut. Aber
ich hatte noch mein bürgerliches Leben, war seit einem Jahr Lehrerin, hatte
eine Beziehung, und mein Freund war nicht eben erbaut von der Vorstellung, ich
könnte ein ›Kind der Sonne‹ werden.«
    »Also bist du zurück in dein altes Leben?«, fragte Elke. Sie spielte
nachdenklich mit ihrer Halskette.
    »Ja«, nickte Andromeda. »Erst später wurde mir klar, dass Lucidus
mein einziger Weg sein kann. Manchmal braucht es einiges, um zu einer solchen
Erkenntnis zu kommen.«
    Elke stimmte zu. »Das ist bei mir ähnlich. Ich fühle mich hier sehr
wohl, weil ich mit meinem ganzen Wesen ernst genommen werde. Hier gibt es keine
Unterschiede zwischen Männern und Frauen, keine Machtkämpfe. Es ist für mich
eine Zeit der Prüfung. Kann ich mir ein solches Leben auf Dauer vorstellen?«
Sie unterbrach sich. »Aber ich rede zu viel. Hast du nicht Dienst im
Restaurant?«
    Andromeda schüttelte den Kopf: »Nein, meine Liebe, rede nur weiter.
Das interessiert mich sehr. Das ›Ahimsa‹ ist heute geschlossen. Vielleicht wird
Inventur gemacht. Lucidus wird uns sicherlich nachher darüber aufklären. Du
sprachst von einer Zeit der Prüfung …«
    »Ja. Ich könnte mir tatsächlich vorstellen, hier länger zu bleiben.
Ich hatte mir zunächst vorgenommen, für einige Tage in unser kleines
Wochenendhäuschen zu fahren, um dort in Ruhe zu meditieren. Aber Spiritualität
funktioniert nicht immer nur allein, mitunter braucht man die Gemeinschaft. Ich
bin inzwischen sehr froh, dass ich hierhergeführt wurde. Meine Seele bedeutet
mir, dass ich angekommen bin. Ich möchte aber noch etwas in mich gehen, möchte
noch lesen, fühlen – und erst dann entscheiden …«
    »Auch du hast einen Mann?«, fragte Andromeda.
    »Hast du das nur vermutet, oder sieht man es mir an?«
    »Ich habe gestern kurz gesehen, wie du dich mit einer jungen Frau
unterhalten hast. Und ein kleines Kind war auch dabei.«
    Elke lächelte. Maximilian war möglicherweise einer der Gründe,
weshalb sie noch nicht ganz mit ihrem bisherigen Leben abschließen wollte.
Würde sie das aushalten, ihn nur noch sehr selten zu sehen? Und wie waren
eigentlich die Besuchszeiten hier? Für gestern hatte man den Besuch genehmigt,
auch wenn sie eigentlich in ihrem eigenen Interesse nicht allzu sehr von
auswärtigen Einflüssen abgelenkt werden sollte. Sie würde sich erkundigen
müssen.
    »Ja«, sagte sie dann. »Das waren meine Tochter Martina und mein
Enkel Maxi. Mein Mann hingegen …«
    »War gestern auch hier«, sagte Andromeda.
    Elke war baff. »Wie bitte?«
    »Er hat im ›Ahimsa‹ gegessen. Ich habe ihn bedient und kurz mit ihm
geredet. Er hat nach dir gefragt …«
    Elke wusste nicht, worüber sie mehr verblüfft sein sollte. Darüber,
dass Hubertus offenbar trotz ihrer klaren Absprache mit Martina genau wusste,
wo sie sich aufhielt – und dann wohl auch noch versucht hatte, an sie
heranzukommen.

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