Honigsüßer Tod
Zärtlichkeiten auf dem Sofa war er nämlich wie vom
Blitz getroffen eingeschlafen. Sogar seine neuen italienischen Schuhe hatte er
noch angehabt. Carolin hatte sie ihm ausgezogen, ihn liebevoll zugedeckt, war
mit ihm unter eine Decke gekrochen und hatte im Gegensatz zu Hubertus eher
unruhig geschlafen. Dennoch: sie hatte sich so dicht neben ihm wirklich
wohlgefühlt – und das tat sie noch immer.
»Weißt du, warum ich mir jetzt ziemlich sicher bin, dass du mich
liebst?«, fragte sie und gab auch gleich die Antwort: »Weil du gestern Abend
das Handy ausgeschaltet hast. Damit du die Zeit nur mit mir und nicht
gleichzeitig noch mit Klaus oder wem auch immer verbringen kannst.«
Hubertus wusste nicht einmal mehr das. Er bereute es aber auch
nicht. Er bereute vielmehr, dass jetzt das Telefon im Flur klingelte.
»Was?«, hörte er Carolin sagen. »Oje.« Und dann: »Natürlich komme
ich« sowie einige andere Sätze – unter anderem: »Ich rufe gleich noch mal an.«
»Schatz«, sagte sie nach ihrer Rückkehr an den Tisch. Das klang gut,
so selbstverständlich. Der Inhalt dann allerdings nicht mehr. »Schatz, ich muss
für ein oder zwei Tage zu meiner Mutter nach Heilbronn. Sie hat sich das Bein
gebrochen.«
Hubertus wusste nicht viel über die Frau Mama. Nur, dass Carolins
Vater vor nicht allzu langer Zeit gestorben war. Ihre in der Nähe von Heilbronn
wohnende Schwester, die sich sonst um die Mutter kümmerte, sei gerade im Urlaub – noch bis zum Wochenende. Und als gute Tochter müsse sie da leider …
Hummel war enttäuscht, signalisierte aber dennoch volles
Verständnis.
Was er nicht wusste, war, dass Carolin überlegte, ihn einfach zu
bitten, mitzukommen. Gewissermaßen um gleich Nägel mit Köpfen zu machen. Wenn
Hubertus erst offiziell in die Familie eingeführt war, bekam die Beziehung doch
auch gleich einen ganz anderen Anstrich. Vielleicht, so dachte Carolin, während
sie aus dem Fenster in den sonnigen Morgen schaute, wirkte das aber angesichts
der kurzen Dauer der Verbindung noch zu aufdringlich.
Was ein Fehler war, denn Hubertus fühlte sich in ihrer Gegenwart
gerade so glücklich, dass er wahrscheinlich sofort zugesagt hätte. »Ich würde
dann heute Mittag losfahren, ja?«, sagte sie stattdessen.
Hubertus nickte tapfer.
Während Carolin also noch einmal mit ihrer Mutter telefonierte, um
gleich einen Einkaufszettel diktiert zu bekommen, machte sich Hubertus ans
Abhören des Handys.
Es piepte gleich mehrfach.
»Sie haben fünf neue Nachrichten«, verkündete die Mailbox. Na,
prima. Fünf im Laufe einer Nacht?
»Die Fernsehzeitung? Gut. Egal, was für eine?«, wollte derweil
Carolin von ihrer Mutter wissen.
»Erste Nachricht, empfangen gestern um 19 Uhr 24« – und dann rauschte es gehörig. Außerdem
hörte Hummel ein Martinshorn sowie einen immer wieder unterbrochenen Klaus, der
etwas von einem brennenden Auto berichtete. Offenbar war der Freund der
Meinung, als sein Privat-Polizeifunk fungieren zu müssen. Er drückte auf Taste 2.
»Die Nachricht wurde gelöscht. Nächste Nachricht, empfangen gestern
um 20 Uhr 7«, sagte die
Mailbox-Dame.
»Bist du jetzt schon bei deiner Freundin eingezogen, oder kommst du
ab und zu noch mal hier vorbei?« Martina. Bei der würde er sich nachher auch
noch melden. »Außerdem waren Pergel-Bülows da und haben ganz vorsichtig
angefragt, ob du ihr Auto noch brauchst«, hörte er weiter die Stimme seiner
Tochter. Schnell drückte er wieder auf die Nummerntaste zum Löschen.
Die nächste Nachricht war von 20 Uhr 47. Wieder Klaus, diesmal aber ohne
Martinshorn-Unterstützung. Auch deshalb konnte Hubertus nun mehr verstehen,
während Carolin gemeinsam mit ihrer Mutter diverse Obstsorten durchging und
darüber diskutierte, ob sie diese im Supermarkt kaufen solle.
»Wirklich prima«, sagte Klaus via Mailbox. »Wenn dich noch nicht
einmal eine brennende Leiche in der Nähe des Sonnenhofes zum Rückruf animiert,
dann weiß ich auch nicht. Schon mal darüber nachgedacht, wer die Leiche sein
könnte?«
Hubertus glaubte sich verhört zu haben. Panisch drückte er auf dem
Handy herum und erwischte schließlich die Wiederholungstaste. Tatsächlich – brennende Leiche, hatte er gesagt. Klaus war zweifelsohne ein Meister der
schlechten Scherze, aber erfinden würde er so etwas nicht.
Noch eine Leiche? Wieder beim Sonnenhof? Das konnte doch kein Zufall
sein? Was, wenn Elke … Natürlich war das unwahrscheinlich, aber …
Nächste Nachricht, 22 Uhr 36.
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