Honigsüßer Tod
haben. Von Kriminalistik
keineswegs.
»Aha«, sagte die Polizeichefin weiter, die es heute Morgen ganz
offenbar auf ihn abgesehen hatte. »Und was heißt das? Wir sind hier doch nicht
bei einer Pressekonferenz, wo wir versuchen müssen, Ihnen die Würmer aus der
Nase zu ziehen. Sie müssen alle Kollegen gleichermaßen auf dem Laufenden halten – unaufgefordert!« Thomsen spürte, wie er errötete. Auch das war seiner
Souveränität nicht unbedingt zuträglich.
Natürlich, dachte er. Es konnte gar nicht anders sein. Kollegen
hatten bei ihr gepetzt, sich über ihn beschwert. Wie erbärmlich.
»Wir waren gestern Abend noch im Sonnenhof. Es waren alle da – außer
Lucidus, dem Anführer, und einem Mitglied namens Apricus. Die beiden haben wir
zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben«, berichtete Thomsen. »In Absprache
mit der Staatsanwaltschaft Konstanz, versteht sich.«
»Liegt von diesem Mitglied Apricus im Zuge der freiwilligen
Speichelabgabe auch die DNA vor?«
Thomsen nickte.
»Wie ist denn die derzeitige Lage in dieser Sekte nach dem gestrigen
Abend?«, wollte die Polizeichefin weiter wissen.
»Es herrscht große Verunsicherung«, referierte Thomsen. »Wir haben
in Absprache mit dem Sektenmitglied Brindur verfügt, dass die ›Kinder der
Sonne‹ bis auf Weiteres auf ihrem Gelände bleiben. Dieser Brindur erzählte auch
irgendetwas von einer Offenbarung, die Lucidus noch empfangen habe.«
»Was heißt das?«
»Das überprüfen gerade die Kollegen Schmittke und Walz«, sagte
Thomsen und freute sich, dass er wenigstens das delegiert hatte.
Das Verhör war aber noch nicht zu Ende. Wie beim Tennis flogen die
Köpfe der anderen Soko-Mitglieder während des Dialoges hin und her.
»Obduktion der gestrigen Leiche?«, fragte Frau Bergmann militärisch
knapp.
»Kollege Winterhalter ist in der Freiburger Gerichtsmedizin dabei«,
rapportierte Thomsen. »Er meldet sich, sobald er etwas weiß.«
»Wann haben wir den DNA -Abgleich, um zu
wissen, ob der Tote wirklich dieser Sektenchef ist?«
»Wenn alles klappt, voraussichtlich noch im Lauf des heutigen
Tages«, sagte Thomsen. Komischerweise fühlte er jetzt so etwas wie einen
Verlustschmerz. Er kam zu dem Schluss, dass er Lucidus eigentlich ganz gern
gehabt hatte. Ein sympathischer, charismatischer Mann. Und sehr sauber. Offenbarung – was sollte das bedeuten? Brindur war nicht sehr gesprächig gewesen.
»Hoffentlich«, sagte die Polizeichefin. »Der Landespolizeipräsident
hat mich seit gestern Abend schon dreimal angerufen.«
Die Bergmann machte sich nicht einmal die Mühe, zu verschleiern,
dass es ihr nur um den politischen Erfolg ging, dachte Thomsen.
»Noch etwas, Kollege«, sagte sie. »Es hat Beschwerden gegeben. Zum
einen …«
In diesem Moment öffnete sich die große braune Doppeltür, und es
trat ein überhitzter Winterhalter in den Saal. »70 Minute vo’ de’ Gerichtsmedizin bis hier vor d’ Tür«, keuchte er.
Wie er aussah, offenbar ohne Klimaanlage im Auto. Auch an diesem
Morgen hatte es draußen bereits mindestens 25 Grad.
»Noch schneller wäre es gegangen, wenn Sie uns von Freiburg aus angerufen
hätten«, bekam auch er einen Bergmann-Tadel ab. »Neue Erkenntnisse?«
Winterhalter nickte und warf sich schwitzend auf seinen Stuhl
gegenüber von Thomsen, der unauffällig die Nase rümpfte.
»Die verschmorte Leich’ hät grad no’ 16 Kilo g’woge’, hät de’ Gerichtsmediziner g’sagt«, gab er bekannt, wobei Thomsen
auf dieses Wissen gerne verzichtet hätte. Winterhalter keuchte wieder ausgiebig
und konnte dann ohne Dialekt fortfahren. »Aber dennoch hat es gereicht, um ein
Projektil in den Knochen zu finden«, sagte er dann.
»Ein Projektil?«, fragte Frau Bergmann, die die Moderation
übernommen hatte.
Winterhalter nickte. Was für eine Nacht. Und Hilde hatte immer noch
nicht gekalbt, wie er vorher via Handy von seiner Frau erfahren hatte.
Allmählich wurde es kritisch. »Schuss in den Bauchraum. Also Mord Nummer zwei
an einem Sektenmitglied.« Er schwenkte einen Zettel mit dem etwas
ausführlicheren, vorläufigen Obduktionsergebnis.
Frau Bergmann nahm das zur Kenntnis, indem sie mit der flachen Hand
auf den Tisch schlug.
»Spurenlage am Tatort?«
Thomsen wollte sich zu Wort melden, doch Kriminalhauptkommissar
Germann war schneller. »Am Auto selbst keine Fremdspuren. DNA im Innenraum wird noch überprüft. Etwa acht Meter neben dem Tatort lag eine
gebrauchte Visitenkarte mit dem Aufdruck von E3,
diesem
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