Honigsüßer Tod
hörten,
verhieß ebenfalls nichts Gutes. Es kam wohl von der Vorderseite des Hofes, von
der aus sie ins Gebäude gelangt waren.
»Hubertus, schnell zum Auto, über die Rückseite«, hechelte Klaus.
»Der Typ ist ein Psychopath. Der hetzt sicher seinen Bluthund auf uns.«
Der Bergsprint, den sie den Hang hinauf hinlegten, war beachtlich.
Klaus war natürlich als Erster oben. Aber auch Hummel schlug sich tapfer.
Einzig sein Sprung über die Jauchegrube wäre fast ins Auge gegangen.
Als er das Auto erreichte, saß der sportlichere Klaus schon auf dem
Fahrersitz und hatte den Motor angelassen. Mit der Axt fuchtelnd schoss der
Imker von der anderen Seite um die Hausecke. Hummel setzte den ersten Fuß ins
Auto. Am anderen machte sich nun Harro zu schaffen – der Deutsche Schäferhund
des Imkers, der schneller als sein Herrchen gewesen war. Hummel sah, wie sich
Harros spitze Zähne in seine Schuhsohle bohrten. Er erwartete jede Sekunde
einen stechenden Schmerz, konnte jedoch den Hund abschütteln und die Autotür
zuschlagen. Klaus setzte zu einer rasanten Rückwärtsfahrt an. Durch die
Windschutzscheibe sahen sie, wie der Imker und sein Hund hinterherkamen, aber
auch im Rückwärtsgang waren die Eindringlinge schneller.
Riesle ließ den Wagen an einer etwas breiteren Stelle eine
Achsendrehung machen. Dieses eine Mal war Hummel froh, dass sein Freund ein
passionierter Autofahrer war. Nach einem Umweg inklusive zahlreicher
Serpentinen landeten sie irgendwann wieder auf der Landstraße in Richtung
Großbiberbach. Der Puls beruhigte sich.
»Du stinkst ja vielleicht«, waren die ersten Worte, die Riesle nach
dem Schockerlebnis zu Hummel sagte. »Wie ein ganzer Hühnerstall.«
Der schaute in den Fußraum und inspizierte seinen völlig zerrupften
Schuh. Er war froh, dass die Bisse nicht weiter vorgedrungen waren.
19. Neue Schuhe und alte Gesichter
Klaus Riesle starrte auf das alte, chromverzierte
Armaturenbrett seines Opel Kadett. Mit seinen Fingern trommelte er ungeduldig
auf dem ledernen Sportlenkrad herum. Sie hatten eine heiße Spur. Eigentlich ein
Grund, weiter zu recherchieren und gegebenenfalls sogar den Imker zu
beschatten.
Und was machte Hummel? Er kaufte Schuhe. Ja, Schuhe. Und Riesle
musste geduldig am Sankt Georgener Bärenplatz vor dem Geschäft warten und den
Chauffeur spielen. Zuletzt hatte er das vor etlichen Jahren für eine
Ex-Freundin getan, die einen Schuh-Tick gehabt hatte. »Ein Tag ohne Schuhkauf
ist ein verlorener Tag«, hatte die modebewusste Charlotte damals stets gesagt.
Hummel war alles andere als ein Schuh-Fetischist. Riesle stellte
dennoch fest, dass er sich bei der Auswahl offenbar ähnlich schwertat wie
Charlotte. Gefühlte zwei Dutzend Mal hatte Hummel mit Schuhen durch das große
Schaufenster gewunken. Pantomimisch wollte er Riesle offenbar fragen, für
welches Modell er sich entscheiden sollte. Es war bizarr: Hummel bekam
tatsächlich Züge seiner Ex-Freundin. Glücklicherweise nur, was die
Verhaltensweise betraf, nicht etwa optisch. Riesle reagierte ähnlich wie
damals, hob stets nur die Hände hoch oder zuckte mit den Achseln. Ab dem
vierten Mal hatte er gestenreich auf seine Armbanduhr gezeigt.
Er räumte ja ein, dass sein Freund mit dem zerbissenen rechten Schuh
schlecht herumlaufen konnte. Nur, das allein war ja nicht der Grund für den
Kaufrausch. Hummel hatte eine Verabredung mit »seiner Carolin« und brauchte
schnell adäquaten Ersatz, der idealerweise auch seiner neuen Freundin gefallen
sollte. Daran störte sich Riesle ebenso wie an der Tatsache, dass er Hummel
anschließend direkt zu Carolins Wohnung kutschieren sollte, damit der dort den
Abend und die Nacht verbringen konnte. Dass dem Journalisten in dieser Hinsicht
schon seit Langem kein Erfolg mehr beschieden war, steigerte das Gefühl, von
seinem Freund im Stich gelassen zu werden.
»Könntest du mich eventuell auch morgen früh wieder abholen?«, schlug
Hummel zögerlich vor. Er merkte, dass die Laune seines Kumpels auf dem
Nullpunkt war, und schaute auf seine weiße Neuerwerbung. Vielleicht doch eine
Spur zu elegant? Oder zu deutlich aus der Serie »Älterer Herr hat jüngere
Freundin«?
»Sehr wohl, Herr Direktor. Und darf ich auch noch die frischen
Frühstücksbrötchen mitbringen?«, grollte Riesle. »Ich serviere sie den
Herrschaften gerne direkt ans Bett. Prosecco dazu?«
»Komm schon, Klaus, spiel jetzt nicht den Beleidigten. Heute Abend
erreichen wir doch sowieso nichts mehr. Ehrlich gesagt, bin ich nach
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