Honky Tonk Pirates - Das vergessene Volk - Band 2
Treibholz, das 20 Meter entfernt im Sand lag.
Hannah wurde nervös und begann leise zu pfeifen. »Ach ja?«, fragte sie. »Und was kannst du sehen?«
»Nun, ich denke, dasselbe, was du sehen kannst«, grinste Will frech und musterte die auffällige Maserung, die sich der Länge nach über das Treibholz zog. »Oder siehst du was anderes?« Er schielte zu Hannah und pfiff dann wie sie. »Es ist schon echt schade, dass du mich jetzt nicht mehr brauchen kannst …«
»Genau.Vergiss das nicht!«, rief sie, sprang auf, zog ihre mit rosa Perlmutt verzierte Pistole und richtete sie auf Will.
Der stand immer noch Kopf und blinzelte jetzt über den kantigen Lauf der Waffe in Hannahs Gesicht.
Die kräuselte zornig die Nase. »Verstehst du, was ich damit meine?«, zischte sie spöttisch und spannte den Hahn.
»Moses!«, rief Jo. »Ich hab gedacht, wir wären ihre Freunde.«
Doch der Chevalier du Soleil kratzte sich nur hinter dem Ohr. »Tja. Das sind wir bestimmt. Doch wir sind auch Piraten.«
»Nein, ich bin Pirat«, fiel ihm Hannah ins Wort. »Und unter Piraten hat Freundschaft nun mal nichts zu bedeuten.«
Will schluckte. »Ja-mahn. Dann kann ich ja gehen.« Er
schaute noch einmal zu dem Stück Treibholz, auf das jetzt ein Sonnenstrahl fiel: ein Sonnenstrahl, den der Edelstein im Knauf des Schwertgriffes, das Jo in den Diskus gesteckt hatte, einfing und bündelte und wie ein Brennglas auf das Holz warf. »Dann gehe ich jetzt«, sagte Will, sprang auf und ging entschlossen zu dem Stück Treibholz. Dort bückte er sich und berührte die Stelle, auf die das Licht traf. Ein Ast fiel heraus und gab ein Loch frei, das so dick war wie Wills kleiner Finger.
»Du bist ein Genie, Jo, ein verfuchstes Genie«, raunte der Junge und registrierte zufrieden, dass sich Honky Tonk Hannah über ihn beugte. »Und das nehm ich mit.«
»Wohin?«, fragte sie. »Hey, was nimmst du da mit?«
Doch Will ignorierte sie. Er ging zurück Richtung Meer und stellte sich dort in die dümpelnden Wellen, als Hannah argwöhnisch, aber bis zum Platzen neugierig hinter ihm hertrottete und sich neben ihn stellte.
»Pass auf, dass du deine Schuhe nicht ruinierst«, grinste der Junge und hielt das Stück Holz zwischen sich und die Insel.
Doch Honky Tonk Hannah interessierten ihre Stiefel nicht mehr. Sie starrte wie Will fasziniert auf das Holz, das dieser jetzt langsam um 180 Grad drehte. Die Maserung stand danach auf dem Kopf und zeichnete die exakte Silhouette der Insel: den flachen Strand, den sanft ansteigenden Dschungel und dann in der Mitte den wie ein Zylinder abgeflachten, aber immer noch mächtigen Kegel eines alten Vulkans. Dort, knapp unter dem Wolken verhangenen Gipfel, lag das jetzt leere Astloch wie eine …
»… Höhle«, flüsterte Hannah.
»Nein«, widersprach Will. »Das ist keine Höhle. Das ist die Höhle der Höhlen. Die Schatzhöhle. Da müssen wir hin.«
DER VALASHELM
D er letzte Rest des Tageslichts verglühte am Horizont. Danach war es still und das einzige Geräusch auf dem Fliegenden Rochen war das leise Knirschen von Zähnen: der Chevalier du Soleil stand am Bug zwischen den Spitzen des Doppelrumpfs und schaute nervös hinüber zur Insel, die jetzt wie der Schatten eines im Sitzen eingeschlafenen Riesen vor ihm lag.
»Der Schatten des Riesen«, flüsterte Hannah, und Moses zuckte kaum merklich erschrocken zusammen. »Dabei sah doch bei Tageslicht alles so schnuckelig aus. Ich dachte, dass Warten dein Steckenpferd ist, Moses. Dass du’s liebst. Doch jetzt knirschst du so laut mit den Zähnen, dass ich Angst davor habe, du könntest Whistle herlocken. Und diesen Franzosen. Und die sind fast 14 Tagesreisen entfernt.« Sie musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen. »Wovor hast du Angst? Der Nebel ist weg, die Quallen besiegt und die Insel ist unbewohnt. Das ist sie doch, Moses? Das hast du uns allen gesagt.« Sie warf einen Blick zu Will. Der saß neben den Triple Twins auf dem Mitteldeck und lud und putzte zusammen mit ihnen ihre sechs Dutzend Steinschlosspistolen und zwei Dutzend Schwerter.
»Also, was ist? Du warst schon mal hier.« Sie zog ihre mit rosa Perlmutt verzierte Pistole und hielt sie Moses an die Stirn.
»Ist die Insel bewohnt oder ist sie es nicht? Und wenn sie es nicht ist, nenn mir einen einzigen Grund, warum ich dir glauben sollte. Du bist ein Lügner, Moses. Ich kann dir nicht trauen. Also, nenn mir den Grund.« Sie spannte den Hahn.
Will konnte sich ein Lächeln nicht mehr verkneifen. Der Kerl ist
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